Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
25.09.2013

Rekordmeister: München (FC Arbeitsjustiz)

Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt die Begründung seiner Entscheidung vom vom 5.8.2013 (1 BvR 2965/10) online gestellt. Sie betrifft die Arbeitsgerichtsbarkeit unmittelbar. Vorweg: Untypischer (bezogen auf ganz Deutschland und seine Arbeitsgerichte) könnte die Sache – im Hinblick auf das Verfahren und seine Ausgestaltung – nicht sein.

Das Bundesverfassungsgericht spricht für sich selbst:

Im Jahr 1988 kündigte die Arbeitgeberin dem Beschwerdeführer krankheitsbedingt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine Kündigungsschutzklage, mit der er nach mehreren Zurückverweisungen des Bundesarbeitsgerichts im März 2002 obsiegte. Zwischenzeitlich kündigte die Arbeitgeberin dem Beschwerdeführer im Jahr 1994 aus betriebsbedingten Gründen. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Kündigungsschutzklage blieb erfolglos; zuletzt wies das Bundesarbeitsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde im August 2008 zurück.

Exakt 20 Jahre Streit also (Hervorhebungen von uns), zum Schluss vor allem wegen der Urlaubsabgeltung (Zusammenfassung in der Rechtslupe). Aber nicht genug: Denn mit den ersten Kündigungsschutzverfahren war der Streit nicht vorbei. Das Bundesverfassungsgericht schildert:

Das Landesarbeitsgericht setzte den Rechtsstreit am 14. April 2000 erneut bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die erste Kündigungsschutzklage aus. Die Aussetzung erfolgte unter Hinweis auf die Vorgreiflichkeit der ersten Kündigungsschutzklage ohne Darstellung von Ermessenserwägungen. Zwischenzeitlich stellte der EGMR mit Urteil vom 18. Oktober 2001 eine Verletzung von Art. 6 EMRK wegen der überlangen Dauer des ersten Kündigungsschutzprozesses fest. Nachdem der Beschwerdeführer im ersten Kündigungsschutzprozess rechtskräftig obsiegt hatte, setzte das Landesarbeitsgericht den Rechtsstreit am 17. November 2004 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die zweite Kündigungsschutzklage aus. Die Aussetzung erfolgte unter Hinweis auf die Vorgreiflichkeit ohne Darstellung von Ermessenserwägungen. In der zweiten Instanz wechselte der Beschwerdeführer erneut zweimal seinen Prozessbevollmächtigten und stellte zwei unbegründete Befangenheitsanträge. Mit Urteil vom 9. September 2009, dem Beschwerdeführer zugestellt am 12. Dezember 2009, gab das Landesarbeitsgericht der Klage teilweise statt.

Das nennt man wohl eine Aussetzungsorgie (Hervorhebung im Text von uns).

Der Kläger hat ein wenig Beitrag geleistet zur Verfahrensdauer, denn es scheint, er habe mehrfach die Pferde (Anwälte) gewechselt und sich ein klein wenig querulatorisch verhalten (Befangenheitsanträge etc.). Aber die Schuld für das überlange Verfahren sieht das Bundesverfassungsgericht bei der Justiz. Deshalb heißt es im Tenor dann:

Es wird festgestellt, dass die überlange Dauer des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht München - 4 Ca 5756/97 – und dem Landesarbeitsgericht München - 10 Sa 88/99 – den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz) verletzt.

Nur deshalb schreibe ich Ihnen das natürlich auf: Die bayerische Justiz. Ja, sie war oft in der (Fach-)Presse dieses Jahr (Hervorhebungen auch hier von mir). TsTsTs.