Brian May komponierte 1984 einen der großen Hits für Britanniens denkmalgeschützte Rockgruppe Queen. Der Titel: „Hammer to Fall“. Textauszug:
You don’t waste no time at all
Don’t hear the bell but you answer the call
It comes to you as to us all
We’re just waiting
For the Hammer To Fall
Die Befindlichkeit einiger Prozessparteien gestern in Erfurt gibt das sicher ganz gut wieder.
Frage:
Sind Leiharbeitnehmer bei der Zahl der Betriebsratsmitglieder zu berücksichtigen? Bei 879 Stammarbeitnehmern und 292 Leiharbeitnehmern macht das einen klaren Unterschied: Berücksichtigt man die Leiharbeitnehmer, gibt es zwei Betriebsratsmitglieder zusätzlich (die Größen regelt § 9 BetrVG gestaffelt nach der Zahl der Mitarbeiter im Betrieb). Bis gestern schien die Antwort klar: Nur die sog. „Stammbelegschaft“ zählte. So hat auch das LAG Nürnberg, die Vorinstanz, entschieden (Beschluss vom 2.08.2011 · Az. 7 TaBV 66/10) – und zwar unter Berufung auf die „ständige Rechtsprechung des BAG“.
Das ist immer eine gefährliche Aussage. Ganz gefährlich. Vor allem, wenn man die Rechtsbeschwerde zulässt, dann wird nämlich geprüft, ob es so eine Rechtsprechung auch aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts gibt.
Nicht nur deshalb ist das seit gestern ganz anders:
Die Leiharbeitnehmer zählen voll mit (Beschluss vom 13. März 2013 – 7 ABR 69/11). Beim Entleiher, versteht sich. Jedenfalls, und da ist das mit der „ständigen Rechtsprechung“ eben so gefährlich, wenn der Betrieb mehr als 100 Arbeitnehmer insgesamt beschäftigt. Hä? Steht im Gesetz! Sagt das BAG, und vor dem 7. Senat wir das doch tatsächlich niemandem wirklich aufgefallen; das Gesetz (§ 9 BetrVG) liest sich so:
…Der Betriebsrat besteht in Betrieben mit in der Regel
5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus einer Person,
21 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus 3 Mitgliedern,
51 wahlberechtigten Arbeitnehmern
bis 100 Arbeitnehmern aus 5 Mitgliedern,
101 bis 200 Arbeitnehmern aus 7 Mitgliedern,
…usw…
Wir haben das entscheidende Wörtchen fettgedruckt. So schnell verpuffen alle rechtsphilosophischen Grundsatzausführungen, das LAG hatte sogar folgende Sätze geschrieben:
Richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie darf nur einsetzen, wenn das Gericht aufgrund einer Betrachtung des einfachen Gesetzesrechts eine Gesetzeslücke feststellt. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen (BVerfG – Beschluss vom 09.03.1995 – 2 BvR 1437/93, 2 BvR 1757/93, 2 BvR 861/94 = FamRZ 1995/1052; juris)
Das BAG äußert nur:
Bei 5 bis 100 Arbeitnehmern kommt es…auch auf die Wahlberechtigung an. Ab 101 Arbeitnehmern nennt das Gesetz diese Voraussetzung nicht mehr.
Also können es auch Leiharbeitnehmer sein.
Diese Geknechteten können übrigens durchaus auch wahlberechtigt sein, dann – das galt immer schon – besteht die Möglichkeit, dass sie gar in zwei Betrieben wählen dürfen, nämlich auch dem des Verleiherbetriebs.
Die Welt kann so einfach sein: Man muss nur ins Gesetz schauen. Dann ist der Hammerschlag, wenn man alte Gewissheiten aufgeben muss, nicht gar so hart. Nur sieht man vor lauter Betriebsblindheit das alles ja immer nicht. Ob der Gesetzgeber das übrigens wirklich so gemeint hat? Na, warten sie mal die Urteilsgründe ab. Dann wird man Ihnen das schon nachweisen…
Ah, ja: Die Erfes ist der alte Name des Flusses, den man heute als die Gera kennt. An einer Furt dieses Flusses wurde eine Stadt solchen Namens gegründet, ca. 1.300 Jahre später zog dann das Bundesarbeitsgericht dort hin.
Weitere Berichte dazu Blog Fachanwalt Arbeitsrecht Berlin (Martin Bechert), Blog Betriebsrat 2014, ein Blog-Newcomer mit erfrischendem Ton übrigens und natürlich Dan Fehlberg in Chemnitz, der die Komprimiertheit der Pressemitteilung nur bewundern kann – denn am gleichen Tag wurde wieder einmal zum Thema CGZP geurteilt. Das lesen Sie lieber da nach, mir ist das CGZP-Thema zu kompliziert. Sagen die Prozessvertreter des SOKA-Bau immer. Ich kapiere angeblich nicht, dass es da nur um eine gewerkschaftliche Spitzenorganisation ging. Für Arbeitgeberorganisationen gelten, meint die SOKA, andere Regeln. Ach so. Sicher auch nach “ständiger Rechtsprechung”. Dann freut Euch schon mal auf die nächsten Runden dazu, Kumpels.