Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
30.10.2011

Quantas down – Arbeitskampf „Down Under“

In diesen Tagen kann man einige Lektionen über Streikrecht im Ausland lernen:

Aussperrung ist auch ein Begriff, mit dem das deutsche Arbeitskampfrecht etwas anfangen kann. Es ist eine Art Streik der Arbeitgeber, der in Deutschland aber durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip derart gezähmt (manche meinen: „kastriert“) wurde, dass eine praktische Bedeutung sehr gering ist: Rechtmäßige Aussperrungen gibt es kaum. Bei einer rechtmäßigen Aussperrung gäbe es für deren Dauer kein Geld mehr für die Arbeitnehmer, ein ziemlich scharfes Schwert also, vor allem eines, das die Streikkassen der Gewerkschaften schnell leert, die mit punktuellen Streiks und sog. „Flashmobs“ viel billiger, aber genauso effektiv arbeiten könnten.

In Australien wird die Fluglinie Quantas (bekannt aus „Rain Man“, wo Dustin Hoffmann ein unvergessliches Statement zur Sicherheit der Fluglinie abgab), Australiens nationaler Carrier, von einer Streikwelle genervt. Sie kommt eben in Wellen und Nadelstichen, bei minimalem Aufwand und maximaler Belästigung.

Foto: Creative Commons, Darren Hall, D464

Letzte Woche hatte Quantas genug und hat die gesamte Flotte an den Boden gebracht (downed). Der CEO sagte im Interview, die Gewerkschaften seien unrealistisch, der langsame Tod der Gesellschaft vorprogrammiert, wenn man ihre Forderungen umsetze. Deshalb müssten die Beschäftigten zur Räson gebracht werden.

So ist das im Mutterland des Kapitalismus (wenn man den Begriff mal auf das ganze Empire ausdehnt). Oder?

Nicht wirklich: Ein Schiedsgericht hat soeben beide Parteien an die Kandare genommen: Fair Work Australia ist eine australische Schiedsstelle für Arbeitskonflikte. Anders als im engen, auf den Antrag schielenden ZPO-Verfahrensrecht können solche Schiedsgerichte, wie Common-Law-Gerichte allgemein, auch zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen. So auch hier. Wie die BBC ausführlich berichtete, hat das Gericht ein sofortiges Ende aller Streiks und aller Aussperrungen angeordnet. Außerdem gibt das Gericht beiden Parteien eine 21-tägige Frist sich zu einigen, während derer nicht gestreikt werden darf. Klappt das nicht, wird eine dem deutschen Betriebsverfassungsrecht nicht unähnliche Einigungsstelle die Einigung für die Streitenden finden.

So geht es eben auch ganz unkapitalistisch.

Die starke und unabhängige Stellung der Gerichte, ihre pragmatische Machtstruktur lässt uns rätseln, wie man einen Arbeitskonflikt dieser Art hier bei uns effektiv löst. Die politischste aller Antworten darauf ist, dass derart extreme Arbeitskonflikte hier eben kaum vorkämen. Mag ja sein…Aber wir bleiben seit dem Streiksommer 2007 bei der Bahn AG in einem unendlichen Spiel von Streikaufrufen und einstweiligen Verfügungen hiergegen stecken. Sie bringen niemanden weiter, wenn es darauf ankommt.

Starke Gerichte haben wir in einem anderen Sinne aber auch. Das Streikrecht ist nicht – und zwar mit keinem einzigen Wort! – kodifiziert, was im Mutterland der Regelungswut eigentlich überrascht. Das ganze Ding ist Richterrecht, aber auf eine Zwangsschlichtung wie in Australien ist bisher keiner der Richter gekommen.