…hat er bekommen. Deshalb jetzt mal ein Quiz:
Das Bundesarbeitsgericht musste (keineswegs zu ersten Mal) über einen Fall entscheiden, bei dem die Vorinstanz (das LAG Köln war es hier) tatsächlich die Beklagte zu mehr verurteilt hat, als der Kläger beantragt hat (Urteil vom 7.8.2012, 9 AZR 189/11).
Die Zivilprozessordung verbietet dem Gericht, einfach etwas mitzuentscheiden, das der Kläger gar nicht will (§ 308 ZPO). Das klingt simpel. Die Gerichte, denen so etwas passiert, sind aber nicht blöd. Es ist vielmehr oft gar nicht ohne nennenswerten Aufwand festzustellen, was von einem Klageantrag eigentlich umfasst ist und was nicht. Der Antrag hier lautete
[Dem Kläger] für das Kalenderjahr 2009 den tarifvertraglich geschuldeten Erholungsurlaub zu gewähren,
für den Fall des Unterliegens mit dem Urlaubsantrag, ihm 30 Urlaubstage, beginnend ab 1. Juni 2010 zu gewähren.
Die erste Instanz, das Arbeitsgericht, hatte den Kläger – der damals nur den ersten Antrag gestellt hatte – darauf hingewiesen, dieser sei aus Sicht des Gerichts nicht konkret genug. Der Kläger müsse sagen, wann er den Urlaub bekommen wolle, nicht lediglich, wie viel es sein solle. Der Kläger(-anwalt) war sich da nicht ganz sicher. Statt den ersten Antrag über Bord zu werfen, ist er vorsichtig vorgegangen und hat den Hinweis im Hilfsantrag verarbeitet.
Das Landesarbeitsgericht hat dann folgendes geurteilt:
dem Kläger ab dem 1. Oktober 2010 30 Tage Urlaub des Jahres 2010 zu gewähren
Das ist wie bei den Fehlerbildchen in Kindermalheften (oder früher, in meiner Kindheit, seufz, noch in der „Hörzu“ – gibt es das noch?): Sehen Sie den Unterschied?
Ganz einfach: Der Kläger will Urlaub aus dem Jahr 2009. Er will ihn nur in 2010 nehmen dürfen. Das LAG hat aber Urlaub aus dem Jahr 2010 ausgeurteilt. In jedem Jahr entsteht ein neuer, eigenständiger Urlaubsanspruch – Urlaub aus dem Jahr 2010 war zwischen den Parteien aber gar nicht im Streit.
Lustig ist erst einmal: Das LAG hat dem Hilfsantrag (das ist der zweite) stattgegeben. Der Kläger war damit zufrieden. Die Beklagte aber hat sich mit ihrer Revision gegen das Urteil gewehrt. Das einzige, was sie mit der Revision nicht geltend gemacht hat, ist, dass die Verurteilung nichts mit dem Antrag zu tun hat…was aber nichts macht: Nach Meinung des BAG ist das von Amts wegen zu beachten (so schon ausführlich Urteil vom 21.7.2009 (9 AZR 378/08).
So weit, so gut – aber was heißt das?
Es heißt, dass die Revision Erfolg hat. Das Urteil des LAG
[ist] insoweit gegenstandslos…, als die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger ab dem 1. Oktober 2010 30 Tage Urlaub des Jahres 2010 zu gewähren.
Wie weiter? Der Kläger hat damit gar nichts in der Hand:
Das LAG hat über den falschen Anspruch entschieden.
Über seinen Antrag hat das Arbeitsgericht entscheiden, aber das – hat ihn abgewiesen. Inhaltlich wollte das LAG Köln dem Kläger folgen, hat es aber eben verbockt.
Ist das Verfahren jetzt rechtskräftig abgeschlossen? Außer Spesen nichts gewesen? Oder kann der Kläger einfach beim LAG Köln beantragen, die Verhandlung fortzusetzen, weil über seinen Antrag noch nicht entschieden ist?
Man möchte – wegen des Wörtchens „insoweit“ – davon ausgehen.
Oder muss er gar neu klagen, was den ersten Fall zur Anwaltshaftung machen würde?
Oder ist dem Titel jetzt vollstreckungsfähig zu entnehmen, dass Urlaub 2009 gemeint ist? Auch nicht schlecht. Dann müsste man nicht einmal den Titel berichtigen lassen.
Wir lassen die Antwort mal offen. Vielleicht ist da draußen ja jemand, der sich für Prozessrecht interessiert…?