Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
26.11.2011

Parkplatzrecht in Deutschland (Frauen bevorzugt)

Ein Ranking der absurden Rechtsgebiete müsste nach unserer Meinung jedenfalls zweierlei einschließen: Airlinerecht und Parkplatzrecht.

Ersteres sind die Fälle, die mehrheitlich der Kranichlinie passieren. Bei Parkplätzen geht es um das deutscheste aller Themen, kaum erläuterungsbedürftig. In diesem Blog schlägt bislang das Airlinerecht das Parkplatzrecht nach Zahl der Fälle. Allerdings gibt es einen Merger (siehe unten).

Jetzt endlich – nach jahrelangen Recherchen – ist der uns der Fall in die Hände gefallen, der das Parkplatzrecht auf neue Höhen hebt. Es geht um Geschlechterdiskriminierung. Auf Parkplätzen.

Es beginnt mit einem großzügigen Arbeitgeber, der im Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 29.09.2011 (10 Sa 314/11) hoffentlich das Ende eines Prozessalptraums erlebt hat:

„…Die Beklagte beschäftigt in D.-Stadt ca. 2.500 Arbeitnehmer. Für diese stehen ca. 600 Parkplätze im X. Parkhaus und ca. 85 Parkplätze im Parkhaus Z.-Straße (Ebene 1) zur Verfügung…“

Also, dass ist nicht nur nett, sondern echt auch sauteuer, auch, wenn anscheinend die Arbeitnehmer eine Stellplatzmiete entrichten müssen.

Der Kläger – jetzt denken sie mal nichts Falsches! – wurde nicht etwa von der Parkplatznutzung ausgeschlossen und wollte einfach nur parken. Nein. Da hätte man (vielleicht) einen Rest von Verständnis aufgebracht. In Deutschland nimmt man sich aller Probleme mit derselben Ernsthaftigkeit an. Ein Vorzug des Rechtssystems. Der Kläger, ach ja. Er also, er hatte eigentlich einen Parkplatz – aber der war ein solcher zweiter Klasse:

„…Die Beklagte vermietet dem Kläger seit dem 01.09.2000 im X. Parkhaus einen Stellplatz. Von dort ist eine Wegstrecke von ca. 500 Metern bis zur Klinik zu Fuß zurückzulegen. Der Kläger begehrt einen Stellplatz im Parkhaus Z.-Straße, das unmittelbar am Klinikgelände liegt. Von dort müsste er nur 20 bis 50 Meter zu seinem Arbeitsplatz gehen…“

Das würde ja bedeuten, dass er im ungünstigsten Falle bis zu 480 m – vierhundertachtzig Meter! – zur Arbeit laufen müsste. Beim Lesen der Entscheidung muss man angesichts solcher Angriffe auf die Grundrechte erst einmal die Schockstarre überwinden.

Wir sind ein Autofahrerland. Da nimmt man solche Bürden nicht leicht. Gottseidank kann man zum Arbeitsgericht gehen. Ach, und: Ich weiß ja, wovon ich rede. Ich muss zwar nur ca. 100 m laufen, aber der arme Kerl…ich komme nicht drüber hinweg.

Was kann man tun?

Der Arbeitgeber (und sein Betriebsrat) lieferten die Steilvorlage. Sie hatten miteinander „Vergabekriterien“ abgesprochen. Die regeln die Zuteilung der knappen 20-80m-Plätze.

Die Kriterien?

„Dienstbeginn vor 6:30 Uhr bzw. Dienstende nach 20:00 Uhr

Frauen vor Männer

Beschäftigungsdauer

Alter“

Alles klar. Frauen bevorzugt. Das reizt natürlich zur Klage. Als Begründung reicht das irgendwie schon, aber die Frage der Anträge in diesem Prozess, die ist schwieriger. Hm. Die Lösung des Klägervertreters soll so nicht vorenthalten werden:

„…Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass die von der Beklagten aufgestellte „grundsätzliche Regelung der Parkplatzvergabe im W.-Klinikum“ insoweit unwirksam ist, als sie das Kriterium „Frauen vor Männer“ vorsieht,

festzustellen, dass die von der Beklagten aufgestellte „grundsätzliche Regelung der Parkplatzvergabe im W.-Klinikum“ insoweit unwirksam ist, als sie das Kriterium „Frauen vor Männer“ ohne Ausnahmemöglichkeit und ohne Härtefallregelung vorsieht,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, über seinen Antrag vom 03.05.2010 auf Zuteilung eines Parkplatzes in der Z.-Straße (Untergeschoss Geländeparkhaus) sowie über seine weiteren diesbezügliche Anträge unter Nichtberücksichtigung des Vergabekriteriums „Frauen vor Männer“ neu zu entscheiden,

äußerst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, bei der Herstellung ihrer „Rankingliste“ betreffend die Vergabe der Parkplätze in der Z.-Straße (Untergeschoss Geländeparkhaus) in Bezug auf ihn das Kriterium „Frauen vor Männer“ nicht zu berücksichtigen und diese „Rankingliste“ entsprechend zu korrigieren…“

Es muss eben alles rechtsförmig sein.

Das Landesarbeitsgericht hielt die meisten dieser Anträge übrigens für unzulässig, nebenbei. Auch materiell war dem Kläger kein Erfolg beschieden, denn der Umstand, dass Frauen häufiger Opfer von sexuellen Übergriffen werden als Männer, rechtfertigt die eindeutige Ungleichbehandlung eben. So jedenfalls das LAG, wenn auch ohne sachlichen Beleg für seine These…

Noch Fragen?

Beim Lesen konnte ich mir nicht verkneifen, in mich hineinzuglucksen, wie gut es doch sei, dass er nicht auch noch schwerbehindert war/ist.

Bei Ziffer 1.3 der Urteilsgründe war ausgegluckst. Er ist Gleichgestellter (eine Art schwere Behinderung light).

Manche lassen nichts aus.

Zum Nachlesen:

Highlights des Airlinerechts:

Mützen sind Geschlechterdiskriminierung

Falsche Rechtsrecherche: 19 Tage U-Haft!

Heute ein König oder Bitte ein Bit (nicht für Flugkapitäne)

Der Merger: Airline- und Parkplatzrecht fusionieren:

Der arbeitsrechtliche Anspruch auf einen Parkplatz (Hybris und Wahn)