Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
13.09.2011

Opa im Flugzeug?

Diese Überschrift ist doppelt diskriminierend: Sie bezeichnet über 60-jährige als Opa (obwohl sie vielleicht keine Enkel haben) und unterstellt (leider mit wenigen Ausnahmen zu Recht), Flugkapitän sei ein Männerberuf.

Gegen das „Opa“ sind einige Flugkapitäne der Lufthansa vorgegangen. Nach deren Tarifverträgen – ! – haben sie mit 60 Jahren das Cockpit zu verlassen. Der Grund sollen altersbedingte Leistungseinschränkungen sein. Für andere Unternehmen desselben Konzerns, aber nicht desselben Tarifbereichs, gelten andere gesundheitlich-genetische Voraussetzungen; die dürfen länger fliegen, aber werden schlechter bezahlt. Nur Juristen und Tarifverträge können das wirklich in Deckung bringen.

Der Europäische Gerichtshof hat diese Tarifvertragsbestimmung heute (Urteil des EuGH vom 13.09.2011 – Rechtssache C‑447/09) für unvereinbar mit Unionsrecht erklärt. Das überrascht in der Sache nicht, es stellt sich allenfalls die Frage, warum da noch keiner drauf gekommen war (dem Tarifvertrag gibt es nicht erst seit gestern).

Interessant ist der Weg der Erkenntnisgewinnung: Die gesetzlichen Vorschriften in Deutschland sehen über 60 auch nur eine eingeschränkte Eignung vor; sie stellen bestimmte Anforderungen auf, wie z.B., dass der Pilot bei „jüngeren“ mitfliegt. Dass er dagegen mit 60 gleich die Uniform an die Garderobe hängen muss, hält der EuGH für unverhältnismäßig.

Hier gibt es viel ungehobenes Potenzial (im Sinn der Rechtsfortbildung). Ich erinnere mich gerne an die „Allgemeinen Anstellungsbedingungen“ einer deutschen Großbank, die noch vor 10 Jahren „in ihrer jeweils geltenden Fassung“ (natürlich beliebig vom Arbeitgeber änderbar) vertraglich vereinbart wurden. Da stand noch 1972 drin, dass „unverheirateten Fräuleins bei Eheschließung“ zu kündigen sei (damit sie Haus und Hof bewirtschaften konnte, vermutlich), aber eben auch, dass Arbeitsverträge mit 63 zu Ende waren. Diese Bestimmung gab es merkwürdigerweise bis zur Jahrtausendwende, sie wurde dann dem Rentenalter angepasst. Dem ebenfalls im Jahr 2000 eingeführten Schriftformerfordernis für solche Vertragsbedingungen entsprach das trotzdem irgendwie nicht. Das Arbeitsgericht Berlin hat damals – vor 10 Jahren – keine Bedenken gehabt, so eine Klausel als nicht altersdiskriminierend anzusehen. Ohne weiter Begründung. Wie sich die Zeiten ändern…