Mit der Unterschrift ist es ziemlich schwierig. Manchmal besteht sie nur aus einem Strich.
Trotzdem ist sie wichtig; beispielsweise bei der Einlegung von Rechtsmitteln – stets muss der Anwalt den Schriftsatz unterschreiben. Da gibt es traditionell Ärger: Generationen von Juristen haben immer wieder ihre Highlights gehabt, weil Gerichte sich darüber Gedanken gemacht haben (mit einer gewissen Böswilligkeit), was genau eine Anwaltsunterschrift ist. Über die neueste, süffisant-amüsierte Volte der Gerichte berichtet Gerhard Kaßing in seinem Blog Fokus Familienrecht. Da hat es gereicht: Der BGH hat gnädig dem Anwalt zugestanden, dass sein Kringel eine Unterschrift sei. Obwohl sie
nur noch aus den stilisierten Überbleibseln einer Reihenfolge von Buchstaben, aus denen sich der Vor- und Nachname Rechtsanwalt M.s zusammensetzt
bestand. Tja. Wer kennt das nicht.
Im Arbeitsrecht sind wir wie üblich viel, viel weiter.
Da haben wir – wegen der Schriftform von Kündigungen – ausgelotet, ob eine Kündigung schriftlich ist, wenn man die Unterschrift nicht lesen kann. Nein, sagte das LAG Hamm und schlachtete eine Kündigung mit einem Kringel. Lesbarkeit ist egal, sagte das BAG dagegen in der Revision (Urteil vom 24.1.2008, 6 AZR 519/07). Das Urteil ist lesenswert wegen der verbalen Umschreibung der Unterschrift, die zu beurteilen war – man hat eben nur Worte…
Wie steht es dann um eine Kündigung, die gar nicht unterschrieben ist?
Ich will Sie gar nicht auf den Arm nehmen. Wo denken Sie hin! Im Fall des LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 8.02.2012 – 8 Sa 318/11) ging es aber jetzt um eben solch eine Kündigung, deren zugehörigen Dialog – gekündigt hatte die Arbeitnehmerin – man sich so vorstellen darf:
(75 Dezibel) Chef! Ich bin raus. Ich kündige! Sofort! Das ist ein Scheißladen!
(35 Dezibel) Aber Holde, wir stehen kurz vor den Feiertagen (Ostern) und der Betrieb läuft auf Hochtouren…willst Du nicht wenigstens…
(85 Dezibel) Das ist mir scheißegal…!
(25 Dezibel) Aber willst Du nicht wenigstens die Kündigungsfrist einhalten, weißt Du…
(105 Dezibel) Scheißegal. Hast Du nicht gehört? Das ist scheißegal! Ich scheiße auf Deine Kündigungsfrist…!
Wer kann es dem Angebrüllten verdenken, dass er dachte, die Dame habe gekündigt? Das denken Sie sicher auch, aber zur Sicherheit hat sie den Arbeitgeber noch einmal verklagt – auf Fortbestand des Arbeitsvertrags. Warum? Für Juristen kein Widerspruch: Sie fand ihre Kündigung mangels Unterschrift unwirksam und wollte lieber weiterarbeiten. S……egal war es ihr im Nachhinein dann wohl nicht mehr. Recht hat sie: Ohne Schriftform keine Kündigung.
Es gibt einen Grundsatz von Treu und Glauben, der in § 242 BGB steht. Das wird immer hervorgeholt, wenn einem nichts mehr einfällt. Es ist die einzige Fairnessregel, die zur Verfügung steht. Daran ließ das LAG Rheinland-Pfalz die Klägerin auch Schiffbruch erleiden: Wer sich so deutlich ausgedrückt hat, der verhält sich widersprüchlich, wenn er auf der Unwirksamkeit der eigenen Kündigung besteht.
Aber so ganz sicher kann man sich nicht sein.
Das LAG hat absolut richtig gehandelt. Andererseits: Es hat sich auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von 1997 (BAG, 04.12.1997 – 2 AZR 799/96) bezogen. Da gibt es einen entscheidenden Unterschied: Damals gab es noch kein gesetzliches Schriftformerfordernis. Das stammt erst aus dem Jahr 2000. Damals sah nur der Arbeitsvertrag vor, dass schriftlich zu kündigen sei. So etwas beurteilt sich nach milderen Grundsätzen (§ 127 BGB) als eine gesetzliche Schriftform (§ 125 BGB).
Tatsächlich sucht man vergeblich nach höchstrichterlichen Entscheidungen, die eine gesetzliche Schriftform leichtherzig durchbrechen. Es heißt immer, die Folgen müssten schlechterdings untragbar sein – ansonsten könne eine Durchbrechung eben nicht in Frage kommen. Bei Kündigungen schleicht man sich um diese Frage bislang herum. Die existierenden höchstrichterlichen Entscheidungen muten eher exotisch an. So ist der BGH Anfang der 50er nach § 242 BGB vorgegangen, wenn eine Hofübergabe (gemeint ist ein Bauernhof) nicht der gesetzlichen Form entsprach und damit die Existenz eine Vertragspartei zerstört wurde (BGH, 16.02.1954 – V BLw 60/53). Auch der berühmte „Edelmann-Fall“ wird Jurastudenten entgegengehalten, wenn sie leichtfertig auf § 242 BGB ausweichen wollen – den hatte das Reichsgericht 1927 (!) entschieden (RG, 21.05.1927 – V 476/26); da hatte jemand, auf die Formnichtigkeit aufmerksam gemacht, gemeint, er sei ein „Edelmann“ und werde den Vertrag in jedem Fall erfüllen, trotzdem. Tat er aber nicht – und bekam Recht. Legt man bei Kündigungen denselben Maßstab an – was sein muss, es sind dieselben Vorschriften! – dann ist der Fall des LAG Rheinland-Pfalz gerade kein Fall von § 242 BGB.
Umso mehr ist das LAG zu loben. Es hat einer Selbstverständlichkeit Ausdruck verliehen. Aber eben nur einer zwischenmenschlichen – nicht einer juristischen.
Was soll man betroffenen Arbeitgebern raten? Ruhe bewahren – Keep Calm and Carry On – und die Kündigung ignorieren. Aber für die Wortwahl abmahnen. Kommt sie nicht zur Arbeit, abmahnen. Kommt sie weiter nicht, kündigen. Schließlich ist es albern, Arbeitnehmer an ihren Worten festzuhalten. Dass diese dann ein Stück zu unmündigen Kindern degradiert sind, muss man eben in Kauf nehmen…