Heute gab es schon wieder auf die 12 einen Rückschlag. Für die Bundesagentur für Arbeit (landläufig Arbeitsamt). Man will es dort aber auch immer ganz genau, aber auch ganz anspruchsvoll haben.
Wie Sie vielleicht wissen, sorgt die Bundesagentur vor allem bei sich selbst und in der Arbeitsgerichtsbarkeit für Arbeit (ansonsten ist die Bilanz eher durchwachsen). Nachdem man fleißig gefühlt alle Sachbearbeiter für teils ungewöhnliche Zeitspannen befristet hatte (3 Jahre, 5 Jahre), hatte das Bundesarbeitsgericht in den vergangenen Jahren diese Mitarbeiter regelmäßig entfristet (Urteil vom 9.3.2011 – 7 AZR 728/09): Kein durchgreifender Befristungsgrund, vor allem handelt es sich bei der Agentur nicht um den Haushaltsgesetzgeber (was man auch ohne Nachhilfe aus Erfurt hätte bemerken können). Nur der kann sich aber nach § 14 Abs. 1 Nr. 7 auf die sog. Haushaltsbefristung stützen.
Nachdem so (unnötig) Rechtsgeschichte geschrieben wurde, verhielt man sich korrekt und „entfristete“ alle Befristeten, weil man sie eigentlich eh‘ brauchte.
Aber man brauchte sie an unterschiedlichen Stellen! Oh Graus! Dieses privaten Arbeitgebern geläufige Problem wurde von der Bundesagentur durch Massenversetzungen gelöst. Im jetzt entschiedenen Fall schickte man die Klägerin von Pirna nach Weiden in der Oberpfalz. Beides schöne Städtchen übrigens, nur ca. 300 Straßenkilometer entfernt voneinander. In Pirna ist es die letzte Zeit etwas nasser gewesen (elbbedingt), aber die Klägerin wollte trotzdem dort bleiben und klagte gegen ihre Versetzung.
Das Bundesarbeitsgericht hat am 10.07.2013 (10 AZR 915/12) nicht nur ihr, sondern praktisch allen versetzten Arbeitnehmern Recht gegeben. Es bleibt bei Pirna, der Schaden ist insgesamt immens – was das Ansehen der Agentur, aber auch die Folgen in der Personalverwaltung anbelangt. Immerhin waren nach Presseberichten alleine von der Entfristungswelle vor zwei Jahren 4.000 Arbeitnehmer betroffen. Die sind sicher nicht alle versetzt worden, aber auch die Hälfte wäre ja schon eine Gewaltaktion.
Grund der Erfolglosigkeit auch dieser Personalsteuerungsmaßnahme (herrlich!) ist etwas, bei dem man sich die Augen reibt. Kann das wahr sein? Das BAG lässt wissen:
Weil die Arbeitgeberin in die Auswahlentscheidung nur vorher befristet Beschäftigte einbezogen hat und nur solche Arbeitnehmer versetzt wurden, ergab sich im Streitfall die Unwirksamkeit der Versetzung.
Man hat die gesetzlich über § 315 BGB indirekt vorgeschriebene Auswahl der zu versetzenden Arbeitnehmer einfach alle Entfristeten, aber nicht die „Stammkräfte“ einbezogen. Womit auch zu fragen ist, wieso man nach der Entfristung noch in Stammkräfte und andere (wie nennt man die?) unterscheidet.
Dass das nicht billigem Ermessen – wie es das Gesetz fordert – entspricht, konnte man, Sie ahnen es, auch hier ohne Nachhilfe aus Erfurt erraten. Denn seit Jahren nähert das BAG bei Massenversetzungen die Auswahlkriterien immer weiter der Sozialauswahl im Kündigungsrecht an. Das kann auch dem flüchtigen Leser leicht angealterter Kommentare nicht entgehen. Grundsätzlich. Hier hat man es vielleicht einfach trotzdem versucht.
Nun, populistisch wird jetzt schnell die Stimme erhoben, dass die BA aus (Ihren) Beiträgen finanziert wird. Aber bevor Sie schimpfen, denken Sie mal – wie viele Menschen (4.000) haben so einen unbefristeten Job dadurch bekommen! Kaum ein deutscher Großkonzern, der von sich sagen kann „ich habe 4.000 Arbeitnehmer unbefristet im Wege einer Joboffensive angestellt“. Nein, da ist die BA (unfreiwillig) Spitze.
Berichtenswert ist die Entscheidung also aus einem einzigen Grund: Weil ein bundeseigener Großarbeitgeber voll auf eine etablierte Rechtsprechung aufgelaufen ist und das unbedingt bis Erfurt durchdrücken wollte.
Da gilt der Satz des mir nicht freundschaftlich zugetanen Ausbildungsrichters, den ich in einer Kammer für Handelssachen am Landgericht hatte. Lange ist es her. Bei aller Nicht-Freundschaft waren seine Spitzen (die er leider als Textbaustein im Kopf hatte und sich nach etwa sechs Wochen wiederholten) in der Verhandlung oft ein Genuss. Nachdenklich und gespielt-schmerzverzerrt fragte er eine häufig beklagte (Finanz-)Institution gerne:
Sagen Sie mal, wer entscheidet bei Ihnen im Haus eigentlich, dass man mit einem Fall zu Gericht muss, statt das außergerichtlich zu lösen?
Die stets gleiche Antwort von Anwalt und Justiziar:
Wir wollen eben Klarheit
Nur: Die gab es längst. Manche Erfahrungen wiederholen sich beständig. Die Bundesagentur sollte sich also darauf konzentrieren, was sie am besten kann. Arbeitsrecht gehört scheinbar nicht dazu. Gut. Andere haben dieses Erfolgsrezept auch schon entdeckt und machen nur noch, was sie gut können.