Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
10.12.2012

Neue AGG-Rassen beim Verwaltungsgericht

Nein, keine Angst, es gibt keinen neuen Rassismusskandal. Aber die Diskussion, ob ein Schwabe oder Sachse eine innerdeutsche Ethnie ist (der schlimme Begriff “Rasse” soll im AGG übrigens nicht bedeuten, der Gesetzgeber erkenne Rassentheorien an…), die bewegt Deutschland nach wie vor. Vom Ossi wissen wir ja aus Stuttgart, dass er/sie keine eigene Ethnie darstellt. Aber die Begründung des Arbeitsgerichts in der Schwabenstadt war ambivalenter als die mancher AGG-Kommentare. Könnte der Schwabe also nicht doch eine Ethnie sein, ein kleines bisschen wenigstens, wenn schon Ossis und Wessis keine sind? Der Schwabe – oder gar der Berliner?

Letzteres hat jetzt ein Lehrer ausprobiert. Er wurde – anders als andere Ethnien, z.B. Schwaben (!), nicht in das Beamtenverhältnis übrrnommen. Dagegen klagte er beim Verwaltungsgericht. Er sei im Sinne des AGG ethnisch diskriminiert. Er hatte auch klare Belege:

Er machte geltend, er gehöre zur Ethnie der „Berliner“ und trug hierzu u.a. vor, er spreche den Berliner Dialekt und esse traditionelle Berliner Gerichte, wie z.B. das Bollenfleisch. Er sei allein aus diesem Grund nicht verbeamtet worden.

Ethnische Diskriminierung also? Da hat er mittelbar sogar Recht, denn sein Ausschluss von Unkündbarkeit, Pensionsanspruch und Beihilfe hat einen banalen Grund. In Berlin werden nur Beamte aus anderen Bundesländern in den Schuldienst übernommen. Wer nicht schon Beamter ist, muss es als Angestellter machen. Vorteil Schwaben? Na ja – das Ganze gilt auch für Berliner, die in Bayern ausgebildet und verbeamtet wurden. Das dokumentiert doch eine hochgradige Toleranz in der Schulverwaltung, zumal z.B. nicht gefragt wird, ob nicht beide Eltern Bayern waren oder möglicherwise CSU (genetische Weltanschauung?) wählen.

Der Lehrer also – er ist wegen dieses Toleranzlevels nicht diskriminiert, sagte das Verwaltungsgericht Berlin mit Pressemeldung vom 6.12.2012 (Pressemitteilung zum Urteil vom 26.10.2012 – VG 5 K 222/11). Auf die Frsge der…ahemm….rassischen Einordnung des Berliners an sich kam es deshalb nicht mehr an.

Aber ein paar Worte zur Ehnie konnte man sich trotzdem nicht verkneifen:

Es sei schon zweifelhaft, ob der „Berliner“ überhaupt eine diskriminierungsfähige Ethnie sei. Die Zuwanderung von Menschen aus anderen Gegenden Deutschlands, Europas und der Welt habe dazu geführt, dass die „Berliner“ als objektiv abgrenzbare Einheit kaum erkennbar seien.

Das ist stark und es hat mich schon beim Ossi gestört (also, beim Ossi-Urteil). Wenn man sich dem Begriff der Ethnie so nähert, läuft man Gefahr, ungewollt wie ein Rassist zu reden (“gab es Durchmischung, Zuwanderung gar?” – auch in Berlin [Ost] – da gab’s vor der Wende herzlich wenig Zuwanderung, oder reden wir von den letzten 20 Jahren?). Das ist nicht zielführend. Man muss sich der Diskriminierung nicht über die Völkerkunde nähern, sondern über die Rassismusforschung. Ethnisch diskriminiert wird, auf den Punkt gebracht, wer mit rassistischen Mustern Diskriminierung erfährt. Ob er einer bestimmten Ethnie angehört, ja, ob es die gibt, ist doch wohl nicht erheblich. Entscheidend ist die Wahrnehmung der Außenwelt.

So dürfen allerdings Deutschlands Regionalisten weiterträumen. Vielleicht erkennt irgendwann ein Gericht die deutschen Regional…äh…Stämme mal als Ethnie an. Das wäre schade, intellektuell wie juristisch, aber die Tür ist noch nicht ganz zugeschlagen. Die Tür zum Bayern als “Rasse”….