Dasselbe Lied schon wieder?
Neckermann (sie kennen ja den berühmten Katalog und ebenso den Reitersmann) kann nicht umstrukturieren, weil Betriebsrat, Gewerkschaft und Arbeitgeber sich nicht einigen können. Jetzt kann man nichts mehr machen, so ein Sprecher, weil über 1.300 Kündigungsschutzklagen drohten, die alle Investoren abschrecken würden. Pech. – ?
Bei Schlecker hatten wir ein ähnliches Argument gehört und hier als im Kern richtig bewertet. Sinnentleerte Klagen haben dort eine Investorenlösung verhindert. Hier liegen die Dinge aber anders und es sieht ganz danach aus, als würde der Eigner, der US-Finanzinvestor Sun Capital, einfach die amerikanische Nummer ziehen.
Denn die Belegschaftsvertretung muss eine Veränderung grundsätzlich ja hinnehmen. Sie hat nur nach §§ 111 und 112 BetrVG Anspruch auf einen Interessenausgleich und Sozialplan, also das „wie“ der Veränderung. Arbeitgeber gehen gern in solche Verhandlungen mit dem Argument, man habe ein Budget X, dass könne man verteilen, wie man wolle, aber mehr gebe es eben nicht. Diese Verhandlungs-„Strategie“ übersetzt das Betriebsverfassungsrecht in die Verständnissphäre von (sorry) Amerikanern und (sorry-sorry) Unternehmensberatern.
Nur ist die Übersetzung eben falsch, mindestens aber unvollständig. Ein Sozialplan, der unbezahlbar ist, ist natürlich Unsinn. Feste Budgets gibt es aber dennoch nicht, Verhandlungen sind eben ergebnisoffen. Wenn ein „Investor“ meint, er könne nur bestimmte „Budgets“ zur Verfügung stellen, muss er damit leben, dass die Einigung gar nicht zu Stande kommt. Dann kann auch nicht umstrukturiert werden: In einigen Gerichtsbezirken kann der Betriebsrat sogar einstweilige Verfügungen gegen die Umstrukturierung erwirken. Selbst da, wo die Landesarbeitsgerichte dabei nicht mitspielen, gilt § 113 BetrVG. Der gibt allen Arbeitnehmern, die eine Kündigung bekommen, einen Entschädigungsanspruch zusätzlich zur Kündigungsschutzklage. Das wird richtig teuer.
Hier versucht offenbar ein Investor, drei Kommastellen weiter hinten in einer Exceltabelle zu schützen. Das kann aber nur Strategie sein: Wer seine Exceltabelle im Griff hat, weiß: Jeder Monat nicht miteinander reden kostet auch Geld. Mehr, als man durch eine starre Haltung vermeintlich einspart. Die Kehrseite: Das müssen die Geldgeber dann Amerikanern erklären, die nicht verstehen, dass es eine Mitbestimmung und Betriebsräte überhaupt gibt. Der Teil ist wirklich schwierig. Neckermanns Geschäftsleitung sollte sich beeilen, diese Fortbildung zu leisten. Sonst ist der ganze Laden bald hin.