Das Thema hat uns schon beschäftigt: Kann der öffentliche Dienst Mitarbeiter kündigen, wenn diese sich für eine extremistische Partei (hier: die NPD) engagieren oder - alternativ - dort “nur” bekennendes Mitglied sind?
Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 2.06.2009 - 14 Sa 101/08) hatte 2009 in einem Einzelfall festgestellt, das sei nicht möglich. Das tapfere Schwabenland, wo seit langem tendenziell versucht wird, Extremisten zumindest aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen, ist aber in die Revision gegangen. Das Bundesarbeitsgericht verhandelt die Sache am 25.11.2010 (2 AZR 479/09). Wetten werden angenommen. Denn die Frage ist in der Rechtsprechung nicht in allen Punkten ausgeleuchtet.
Gewissermaßen am Vorabend der Entscheidung (ok - die Verhandlung ist erst nächste Woche) lohnt es sich, die Probleme noch einmal anzusehen:
In der Sache geht es um einen Menschen, der in der Finanzverwaltung arbeitet. Er ist ziemlich jung (Jahrgang 1982), weshalb die Sachverhaltsschilderung des LAG noch wütender macht - warum engagiert sich so ein junger Mensch in so einer Partei? Na ja. Er tütet aber in der Verwaltung vor allem Briefe ein, sitzt also nicht gerade in einer herausgehobenen Position.
Erstaunlich war schon der bisherige Verfahrensverlauf. Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 2.06.2009 - 14 Sa 101/08) hatte die ausgesprochene außerordentliche und die hilfsweise ordentliche Kündigung jeweils für unwirksam erachtet. Das Arbeitsgericht hatte die ordentliche Kündigung durchgehen lassen, eine kleine Sensation. Das LAG legte den Schwerpunkt auf die arbeitsvertragliche Pflichten. Das Verhalten des Klägers könne angesichts seiner doch recht beschränkten Dienstpflichten nicht zur Kündigung herangezogen werden:
“Auch ergeben sich aus dem Vorbringen des beklagten Landes keine konkreten Beeinträchtigungen im Bereich der betrieblichen Verbundenheit oder im behördlichen Aufgabenbereich. Die erstgenannte denkbare Störung ist nicht näher in Betracht zu ziehen, denn der Kläger hat sich unstreitig während seiner seit 2004 ausgeübten Tätigkeit im Druck- und Versandzentrum stets einwandfrei verhalten. Soweit das beklagte Land des weiteren darauf abhebt, der Kläger habe Zugang zu personenbezogenen Daten der Steuerpflichtigen und es sei zu besorgen, dass das Ansehen der Oberfinanzdirektion durch die Beschäftigung des Klägers Schaden nehme, so werden damit lediglich abstrakte Möglichkeiten aufgezeigt, die indes nicht geeignet sind, die Kündigung sozial zu rechtfertigen (vgl. BAG, Urteil vom 06.06.1984, w. b. b.).”
Das Arbeitsgericht war hingegen davon ausgegangen, der Kläger sei für den öffentlichen Dienst ungeeignet. Was er gemacht hat? Das Urteil des Arbeitsgerichts ist leider nicht publiziert, im Tatbestand des LAG sieht das so aus:
“Die persönliche Eignung eines Angestellten im öffentlichen Dienst erfordere es, dass sich der Angestellte durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung i. S. des Grundgesetzes bekenne, wobei die zu stellenden Anforderungen sich nach den Aufgaben des Angestellten richteten und eine Einzelfallprüfung erforderten. Danach sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass aus Sicht des beurteilenden Landes die Prognose gerechtfertigt sei, dass der Kläger die an ihn gestellten Voraussetzungen in persönlicher Hinsicht nicht erfülle, da er nicht nur Mitglied der NPD sei, sondern fortwährend, systematisch und strukturiert aktiv sowie öffentlich wahrnehmbar als Funktionsträger der NPD und der JN durch Organisation von Versammlungen und Herausgabe von Newslettern tätig werde und der Kläger insoweit mit Geschehnissen in enge Verbindung gebracht werden könne, die eindeutig und schwerwiegend den grundlegenden und gegenüber den Bürgern vertretenen Überzeugungen des Staates und seiner Organe entgegenstünden. Dies betreffe Einladung und Vortrag des Herrn D… und dessen Eintritt für Herrn Z…, für die Gedenkveranstaltung, auf welcher die erste Strophe der deutschen Nationalhymne gesungen worden sei und schließlich den Nachruf auf Herrn B… im Newsletter vom 25.07.2008. Zu den Herren B…, D… und Z… seien Informationen allgemein zugänglich, welche verdeutlichten, in welcher Weise deren Verhalten dem grundlegenden Selbstverständnis des Staates und seiner Organe entgegenstehe.”
Die abgekürzten Herren sind Holocaustleugner und ähnliche Schmutzfinken.
Die Prüfung anhand der konkreten Auswirkungen einer extremen Gesinnung auf die vertraglichen Pflichten liegt leider näher an der Dogmatik, mit der das BAG vorgeht. Allerdings möchte man dem Arbeitsgericht Karlsruhe irgendwie zustimmen, nur wie? Die BAG-Dogmatik ist sehr begrüßenswert. Die Konzentration des Kündigungsschutzes auf die zentrale Frage, ob sich etwas auf eine bestimmte, zu benennende (Neben-)Pflicht auswirkt, ist vom 2. Senat konsequent betrieben worden und ermöglicht eine einheitliche Prüfung. Natürlich lässt aber auch das Spielräume. Viele Urteile des BAG aus dem Bereich des Extremismus stammen aus den Zeiten harter Grabenkämpfe in den Wehen oder Nachwehen von RAF, APO etc. Der gesellschaftliche Blick auf Rechtsextreme hat sich bis heute aber sicher ähnlich stark wie der auf Linksextreme gewandelt. Die Kernfrage, ob eine bestimmte politische Gesinnung allgemein unverträglich mit dem öffentlichen Dienst ist, ist auch wegen Art. 33 GG nicht ganz einfach zu beantworten. Bei Stasimitarbeitern hat man mit viel Ächzen in den letzten 20 Jahren klare Kante gezeigt. NPD-Mitglieder verweisen darauf, dass “ihre” Partei ja nicht verboten sei.
Zumindest dieses Argument ist bislang nicht tragfähig. Wie das LAG richtig feststellte, kann jedes Gericht im Kündigungsschutzprozess selbst feststellen, ob eine Partei oder andere Gruppierung verfassungsfeindlich ist oder nicht (das BAG hat das z.B. auch mal für Scientology versucht) - jedenfalls nach bislang herrschender Auffassung. Dazu wird das BAG etwas sagen müssen.
Ob all das dem Ländle zu einem Prozesserfolg reicht? Leider wohl kaum (unsere Wette). Die Begründung müsste sich notwendig in einen Widerspruch zur allgemeinen Kündigungsdogmatik setzen. Das ist der Fall vielleicht nicht wert. Leider.