Am Arbeitsgericht Frankfurt sitzt ein ehrenamtlicher Richter für die Arbeitgeberseite. Er ist Chef eines IKEA-Hauses. Und angeblich Rechtsextremist. Deshalb hat das hessische Justizministerium nun seine Amtsenthebung beantragt.
Gerade gestern habe ich Schelte für die Aussage eingesteckt, bei Facebook tue sich arbeitsrechtlich derzeit nichts – im Hinblick auf Grundsatzdebatten wie z.B. im Datenschutzrecht. Und da kommt der Eri (ugs. für „Ehrenamtlicher Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit“) daher. Der ist nämlich nicht NPD-Kandidat gewesen oder auch nur so etwas ähnliches. Der HR berichtet:
„…Der Mann habe über sein Facebook-Profil rechtsextreme Kontakte gepflegt – unter anderem zum früheren Berliner NPD-Landesvorsitzenden Jörg Hähnel und dem rechtsextremen Liedermacher Frank Rennicke…“
Rechtsextrem qua Facebook Profil. Puh.
Ich mache mir wegen der Datenflut, die durch meinen eigenen Facebook-Auftritt hereingebrochen ist, auch schon Sorgen, mit wem ich alles assoziiert werde. Es stellt sich ja im Ernst eine Reihe von Fragen. Wer hat das „herausgefunden“ – wird man jetzt stetig „gescreent“? Kann man auf Basis eines solchen Sachverhalts seien Arbeitsplatz verlieren? Kann man seine Stellung als Eri verlieren?
Die Kündigung des Arbeitsplatzes ist alles andere als andere als ein Durchmarsch. Selbst im öffentlichen Dienst (Verfassungstreue etc.) reicht die Kandidatur für die NPD nicht als Kündigungsgrund. Selbst bei Schornsteinfegermeistern, die von Natur aus eher schwarz als braun sind, reicht das nicht zur Entlassung (meinte das OVG Sachsen-Anhalt jüngst). Kann dann ernstlich ein Facebookkontakt unbekannten Ausmaßes zu irgendeinem Extremisten reichen? Was heißt es schon, dass sich irgendein Repräsentant der NPD als „Freund“ hat registrieren lassen, wo Facebookfreunde doch ohnehin keine echten Freunde sind? Also ehrlich: Ein Kündigungsgrund dürfte das nicht sein. Reizvoll wäre es allerdings zu testen, ob so etwas reicht, wenn der öffentliche Druck IKEA Schaden zufügen würde. Bis zur Berichterstattung über seine Tätigkeit als Eri konnte davon aber keine Rede sein.
Die Entfernung aus dem Richteramt regelt § 27 ArbGG. Danach muss eine grobe Amtspflichtverletzung begangen haben. Blickt man in die Kommentare, offenbart sich vor allem, dass so etwas nie vorzukommen scheint. Schwab/Weth und Germelmann zitieren nur einen Fall aus dem Jahr 1950 (!), der nicht mehr in den Datenbanken steht und bei dem es wohl was wurde mit der Enthebung. Allerdings gibt es zum rechten Rand eine Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 6. 5. 2008 – 2 BvR 337/08). Dort wurde einer enthoben, der in einer Nazirockband spielte, deren CDs nicht bloß indiziert waren, sondern strafrechtlich bereits als Beleidigung, Volksverhetzung etc. gewürdigt worden waren. Wiederum: Ist das wirklich dasselbe wie einen NPD-Mann als Facebookfreund zu haben? Sicher nicht. Es gibt eine ganze Reihe (ablehnender) Entscheidungen, deren Grundtenor lautet: Politische Meinungsäußerungen müssen das Richteramt schon kräftig beschäftigen, um für eine Amtsenthebung zu reichen (z.B. LAG Hamm, Beschluss vom 04.08.1992 – 3 AR 26/92).
Auffällig: Alle Amtsenthebungen betreffen offenbar Neonazis. Kommunisten kommen nicht vor, außer im Sonderfall der MfS-Tätigkeit (steht bei Liebscher, in: Schwab/Weth, § 27 ArbGG Rd.-Nr. 8, aber ohne Rechtsprechungsnachweise).
Auffällig auch: Ikea geht den pragmatischen Weg und will anscheinen eine Abfindungsvereinbarung schließen. Den Weg gäbe es für das Richteramt auch: Nach § 24 ArbGG kann man das Amt einfach niederlegen. Sollte der Betroffenen vielleicht in Erwägung ziehen.
Was bleibt noch?
Ja, die Frage: Wer hat Facebook so lange gequetscht, bis dieser braune Tropfen herauskam? Wer hat’s „herausgefunden“? Merke: Facebook ist mit Vorsicht zu genießen.