Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
21.12.2010

Mozarts ‘Idomeneo’ vor den Arbeitsgerichten

Ein Ausflug in die Nische, die gar keine ist.

Arbeit bildet. Deshalb muss sich auch ein BAG gelegentlich mit hoher Kunst auseinandersetzen, wie die Pressemitteilung zum Urteil vom 16. Dezember 2010 - 6 AZR 487/09 belegt. Das liegt daran, dass in unserem Land alles geregelt ist, auch die Arbeit von Bühnenschaffenden. Auf den zweiten Blick ist das auch dringend erforderlich und keineswegs bürokratischer Wahn: Waren Sie nie in Theater oder Oper und haben sich gefragt, wie man - nach allem, was über das Arbeitsrecht allgemein bekannt ist - Arbeitnehmer zu so später Stunde noch beschäftigen kann oder z.B., ob nicht auch ein Orchester mal streiken darf (ist schon vorgekommen, natürlich!).

Deshalb gibt es eine eigene Tarif- und Gerichtswelt für die deutschen Bühnen, überwiegend repräsentiert von einem Arbeitgeberverband - dem Deutschen Bühnenverein - die eine Schar von Solisten, Bühnenmitarbeitern und Musikern beschäftigen, die meist von der GDBA vertreten werden (einer echten Gewerkschaft, allerdings außerhalb des DGB). Die Tarifverträge hören sich für alle Bühnenerfahrenen gewöhnlich, für alle Außenstehenden eher eigenartig an - Normalvertrag Bühne und Normalvertrag Solo sind die bekanntesten. Eine eigene Gerichtswelt gibt es insoweit, als dass diese Tarife (was als exotisch gelten darf) von der Möglichkeit der §§ 101 ff. ArbGG Gebrauch gemacht und Bühnenschiedsgerichte sowie ein Bühnenoberschiedsgericht eingerichtet haben. Streitigkeiten landen dann drittinstanzlich aber gelegentlich doch beim BAG. So auch hier - und dann geht es mal um was ganz anderes als Arbeitszeit und Eingruppierung.

Die Kläger hatten in einer Inszenierung von Idomeneo im Chor gesungen. Dafür gibt es Geld, aber mehr gibt es nach § 79 NV Bühne als Sondervergütung - wenn die Leistung des Chorsängers besonders hervorgehoben ist, er z.B. eine Solopartie singt. Besser als das BAG kann man es natürlich nicht zusammenfassen:

“…Sie haben dabei Duette und Quartette im Rahmen einer Chornummer gesungen, bei denen jede Stimme partiturgerecht nur einzeln durch eine Klägerin oder einen Kläger besetzt war. Für diese Mitwirkung begehren sie jeweils zwischen 40,00 Euro und 120,00 Euro. Sie haben dafür, wie nach § 53 NV Bühne vorgesehen, zunächst die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit angerufen. Das Bühnenoberschiedsgericht hat die Schiedsklage abgewiesen…”

(Stimme = Stimmlage, Anm. des Verfassers)

Kriegen sie aber nicht. “Kurze” solistische Leistungen zählen noch zur Chorleistung. Dass Mozart die Einzelbesetzung je Stimme in der Partitur vorsieht, ändert nichts daran. Der große Komponist hat also keinen direkten Einfluss auf die Vergütung genommen. Anders kann es nur sein, wenn die Inszenierung so gestaltet wird, dass die Leistung nicht mehr als Chorleistung zu bewerten wäre, aber hier war das wohl nicht so.

Es ist nicht bekannt, ob ein Beamer mit Ausschnitten der Aufführung mit im Gerichtssaal war. Ein gutes Arbeitsgericht kann das auch nach Aktenlage und Parteivortrag entscheiden. Das geht nicht anders - aber es ist mal etwas erfrischend anderes als die alltägliche arbeitsrechtliche Kost.

Ja - schöne Weihnachten allen Lesern und wenn Sie singen, in Kirche und/oder unterm Tannenbaum, dann bitte gut, ob nun herausgehoben oder nicht.