Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
19.06.2011

MoinMoin – Die schnellste Unterlassungserklärung der Welt

Der Abmahn- und Unterlassungswahn im Netz berührt den Arbeitsrechtler meist ja nicht. Für uns ist die Abmahnung – anders als für die Kollegen des Grünen Rechts – einfach immer noch eine Aufforderung an den Vertragspartner, sich endlich an die Regeln zu halten. Gottseidank machen wir auch “Grünes Recht” im eigenen Hause, sonst hätte mir ja der Kopf geschwirrt, als sich Folgendes zutrug:

Am 9.6.2011, also vor eineinhalb Wochen, hatte ich Kopfweh. Es war auch sonst kein so guter Tag. Von dem Haufen Emails, den ich so bekomme, wurde das Kopfweh nicht besser. Die vielbeklagte “corporate” Strategie, jeden Deppen, sogar den eigenen Anwalt, bei jeder noch so irrelevanten Korrespondenz auf cc zu setzen (um dann zu sagen “haben Sie die E-Mail vom…nicht bekommen?”) führt auch hier zu einem Eingangsvolumen von gut 200 Mails am Tag und nein, den Haufen kann man gar nicht sinnvoll bearbeiten.

Echter Spam ist dank unseres Administrators eigentlich nie dabei. Der Filter hält die Penisverlängerungen, Flaggenmasten, *zensiert* usw. zuverlässig draußen.

Am Mittag kam dann eine Mail von einer Firma, die ich nicht kenne, aber natürlich vertreten würde, wenn man mich fragen würde.

Sie hatte den sympathisch-auffälligen Namen “MoinChef”, weshalb man sich ja gleich angesprochen fühlte. MoinMoin GmbH – der Betreiber – hat die Website immer noch (http://www.moinchef.de) und schlecht sieht sie auch nicht aus. Sie hat sogar etwas mit Arbeitsrecht zu tun, weil man da Jobs suchen und Stellenanzeigen aufgeben kann.

Schön, nur haben wir gerade keine Stelle frei. Man wollte mir auch nur andienen, mit meinem Blog dort Partner zu werden, hat allen möglichen Kauderwelsch dazu als Erläuterung angebracht, aus dem ich schon technisch nicht schlau werde; und klar war auch, irgendwie ist das kommerziell. Dagegen habe ich nichts, aber ich bin schon froh, wenn es ich den Blog betreuen kann – mehr will ich mir wirklich nicht aufhalsen, echt – und irgendwie roch das zwar nach Arbeit, aber eben nicht nach anwaltlicher Tätigkeit. Also schnell “Löschen” geklickt und vergessen.

Natürlich sind solche Mails böse. Ganz finster. Sie sind VERBOTEN. § 7 UWG verbietet sie ausdrücklich. Aber mal ehrlich: Wenn der Inhalt freundlich und ernsthaft ist, und es davon nicht tausende am Tag gibt – Löschen ist nun wirklich keine große Sache in Outlook, oder?

Ich habe das Ding also vergessen, bis ich am Freitag dann ein Fax von mir völlig unbekannten Kollegen bekam, die mir – “ohne Anerkennung einer Rechtspflicht” – aus heiterem Himmel die strafbewehrte Unterlassung andienten, solche Mails in Zukunft nicht mehr zu senden:

Ja. Habe ich einen so aggressiven Ruf, dass man meine Abmahnung gar nicht erst abwartet? Hey, da draußen: Die Zeiten, als ich meine Brötchen mit unerlaubten Telefaxzusendungen an die eigene Kanzlei verdienen musste, sind weit mehr als ein Jahrzehnt vorbei. Vorbei!

Ist das überhaupt klug? Da sind sich die Grünen (Rechtler) ja nicht einig. Der Unterlassungsvertrag beseitigt das Rechtsschutzbedürfnis für ein gerichtliches Vorgehen, z.B. für eine einstweilige Verfügung. Aber er kommt wie jeder Vertrag durch Angebot und Annahme zustande: Die Abmahnung enthält das Angebot, die dann abgegebene Erklärung ist die Annahme. Voila: Ein Vertrag!

Hier gab’s aber keine Abmahnung. Und ungebetene Unterlassungsverträge muss ich nicht annehmen und nein: Schweigen ist keine Willenserklärung (Musielak, Grundkurs BGB). Und überhaupt: Nach h.M. steckt ein Schuldanerkenntnis in solchen Unterlassungserklärungen. Das Fax reicht also in der Regel nicht (weil § 781 BGB die gesetzliche Schriftform festschreibt. Pech.). Bei uns hat MoinMoin Glück gehabt, weil wir ausnahmsweise eine GmbH und damit ein Kaufmann sind (für Rechtsanwälte aber bekanntlich eher eine Ausnahme). Da kann man – so unter Kaufleuten – vom Schriftformerfordernis auch mal abweichen (§ 350 HGB). Aber normale Anwälte sind eben keine Kaufleute…

Mal sehen. Vielleicht nehme ich an. Aber eigentlich habe ich nichts gegen MoinMoin, und will eigentlich auch keine Vertragsstrafen von denen. Meine Sorge wäre, dass die beauftragten Anwälte jede einzelne Unterlassungserklärung nach RVG abgerechnet haben (und es müssen ja hunderte von Empfängern angeschrieben worden sein…). Dann ist die Liquidität beim Auftraggeber nachhaltig gefährdet. Aber gut: Das ist nicht meine Sorge.

Falls aber die Korrespondenz darauf beruht, dass ein unachtsamer Mitarbeiter gegen Wettbewerbsregeln verstoßen hat: Für eine Kündigung reicht das nicht. Für eine Abmahnung aber schon. Jetzt könnt Ihr als – endlich mal selbst abmahnen. MoinMoin…