Angeblich wird allenthalben gemobbt, aber in der (sicher verzerrten) gerichtlichen Realität kommt kaum jemand an, der erfolgreich “Mobbing” geltend machen kann – im Arbeitsrecht scheitern schätzungsweise neun von zehn Klägern.
Das BAG (28.10.2010, 8 AZR 546/09) definiert Mobbing so:
“…wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dies entspricht der in § 3 Abs. 3 AGG erfolgten Definition des Begriffes „Belästigung“, die eine Benachteiligung iSd. § 1 AGG darstellt. Da ein Umfeld grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen wird, sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Demzufolge dürfen einzelne zurückliegende Handlungen/Verhaltensweisen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden…”
Das heißt vor allem: Schadensersatz gibt es im Allgemeinen nur für dauerhafte Erniedrigung. “Mobbing” durch eine Einzeltat ist bei dieser Definition nicht denkbar.
In Hessen hat ein Beamter – Polizist – ein politisches Erdbebeben ausgelöst, weil er 8.000 EUR vom Landgericht Frankfurt zugesprochen bekam. Wegen Mobbing. Das Bemerkenswerteste: Der Schadensersatz beruht auf einer einzigen Ansprache seiner ehemaligen Chefin. Die ist niemand anders als die ehemalige Frankfurter Polizei-Vizepräsidentin Sabine Thurau. Vor etwas über vier Jahren hatte sie den betroffenen Polizisten ziemlich bloßgestellt. Vor versammelten Kollegen meinte sie, er sei in “schwerste kriminelle Machenschaften verwickelt” und bedeutete den Anwesenden, sie werde quasi persönlich dafür sorgen, dass er nie wieder in den Dienst zurückkehre.
Die Juristen in den Rechtsämtern haben da offenbar schon die Köpfe eingezogen. Allenfalls dienstrechtlich, keinesfalls strafrechtlich relevant sei dessen Verhalten gewesen (bei dem es um die Nutzung von Dienstwagen und ähnliche Kapitaldelikte ging).
Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn habe Frau Thurau verletzt. Der Unschuldsvermutung hätte sie breiteren Raum geben und den Mann erst einmal schützen müssen.
Man kann dem Gericht beipflichten. Es entsteht aber eine Art Paralleluniversum. Es sieht nicht so aus, als könne man mit der BAG-Defintion eine einzige vernichtende Äußerung zum Mobbing erklären. Kann man Beamte leichter mobben? Sieht so aus. Es scheint auch häufiger vorzukommen. “Mobbing” wird als Begriff auch erst seit dem Selbstmord einer Polizeibeamtin gebraucht, die die ständigen Schikanen auf dem Revier nicht mehr ertrug (ihr Schicksal wurde verfilmt und war x-Mal Gegenstand der Rechtsprechung, vgl. BGH, Beschluss vom 1. 8. 2002 – III ZR 277/01 und ist verfilmt worden).
Frau Thurau hat auch schlechte Kritiken für ihren Auftritt im Prozess bekommen. An den Vorfall schien sie sich kaum erinnern zu können, die Zeugenaussage solle einstudiert gewirkt haben, berichten einige Zeitungen.
Vielleicht muss es auch zweierlei Maßstäbe geben. Der Beamte ist seinem Dienstherrn schließlich noch intensiver ausgeliefert – den Rat, einfach zu kündigen, kann er meist nicht befolgen: Altersvorsorge weg, Ausbildung nur bei Staat verwertbar.
Hätten Sie an Stelle des unschuldig Beschimpften auch geklagt? Ich schon.