Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
26.09.2012

Mobbe fleißig und nähre Dich redlich

P.S: Hätten Sie mal nur mir die Rosen gebracht: -)

Ja, Rosen.

Das wäre schön gewesen. Aber ob es dann anders gekommen wäre? Nein! Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 30.04.2012 (5 Sa 687/11) ist vielmehr ein Lehrstück für umgekehrtes Mobbing (ich würde ja „Reverse-Mobbing“ sagen, aber es braucht keinen neuen Anglizismus). Gemeint ist der Terror von Arbeitnehmern gegen Arbeitgeber. Man könnte auch sagen, das Urteil sei ein Lehrstück darüber, wie Selbstüberschätzung in den Abgrund führt.

Die eingangs zitierte Zeile stammt aus einer Mail, die eine Mitarbeiterin ihrem Chef geschrieben hat, und sie war bitterböse gemeint. Das erschließt sich erst bei der Betrachtung dieses hanebüchenen Falls.

Da gab es eine Mitarbeiterin, die nennen wir mal Rose. Rose ist die Art von Mitarbeiterin – möglicherweise, wir stellen sie uns jedenfalls so vor – die Arbeitgeber das Fürchten lehrt, immer recht zu haben meint und damit nicht hinter dem Berg hält. Irgendwann ging auch Roses Rechthaberei dem Arbeitgeber zu weit. Nachdem Rose mit ihren Kollegen, vor allem Claus (erfundener Name) ein Blame-Game gespielt hatte, dass die Internetleitung nur so knisterte, hatte der Geschäftsführer genug und wollte alle Kontrahenten zum Personalgespräch sehen. Rose antwortete:

Macht sowieso keinen Sinn, immerhin mache ich das Mobbing schon seit einem halben Jahr mit C. mit. Ich sehe da keinen Sinn mehr darin immer wieder das Gleiche zu erzählen und immer wieder das Gleiche zu erleben…

Claus, das sieht man, war nicht mehr ihr Liebling. Der Geschäftsführer hat aber auf seinem Personalgespräch bestanden. Zumal von „Mobbing“ durch Claus oder sonst einen Kollegen hier das allererste Mal die Rede war. Das wundert uns nicht: Das Wort ist in aller Munde, aber keiner verwendet es sachgerecht. Jedenfalls wollte der Geschäftsführer wissen, was los sei.

Rose fügte sich. Sie hatte aber einen perfiden Plan. Den sie auch ausführte, wie man aus ihrer Mail sehen kann, die sie nach dem Personalgespräch an den Geschäftsführer schickte:

„…ich wurde jahrelang in ihrem Unternehmen gemobbt. Eine Anlage sende ich Ihnen anbei (Mitarbeiter erstellten mit Chef eine Pornoseite mit meinem Foto). Da ich mich dagegen gewehrt habe, wurde ich heute gekündigt. Ich möchte Ihnen daher nicht verheimlichen, dass ich den Fall mit Benennung des Verlages an die Öffentlichkeit weitergebe…

Das heutige Personalgespräch mit Herrn I. und Herrn L. habe ich auf meinem Handy mitgeschnitten.

Man hört den Geschäftsführer japsen. Am Ende steht der schon eingangs zitierte Satz, den wohl nur Rose und ihr Chef auflösen können, sowie die Grußformel:

„Es grüßt Sie herzlich A. [lies: Rose, Anm. des Autors], die Frau die keine Gnade kennt -)”

Kommafehler im Original.

Er kündigte ihr fristlos, nicht zuletzt wegen des heimlichen Tonbandmitschnitts. Damit hatte er Erfolg.

Das Interessante ist: Rose hatte sich schon ein wenig Munition für den Mobbingvorwurf besorgt. Die Vorgänge hier spielen 2011. Sie hatte ihrem Geschäftsführer mal ein „Beispiel“ des „Mobbings“ in einer Email beigefügt, nur um ihm zu zeigen, wie man sie so behandelt. Das Beispiel hat es in sich, denn Kollegen hatten eine Internetseite gebastelt, auf der ein Portraitfoto der Klägerin zu sehen war. Klickte man es an, konnte man die Rückenansicht einer nackten Frau sehen (nicht die Klägerin). Rose hat ihrem Chef damit vor dem Personalgespräch mal zeigen wollen, wie die anderen so drauf sind, eben nur so zum Beispiel.

Dumm war nur: Sie hat unterschlagen, dass es die Seite zwar gab. Aber, dass es sich um einen – nie online gestellten – Aprilscherz handelte. Der zudem einige Zeit her war – 1. April 2004, um genau zu sein. Andere Beispiele hatte sie nicht. Auch nicht in der Berufung, wie das LAG seufzte:

„…Hinzukommt erschwerend, dass die Klägerin einerseits pauschal, unpräzise und unvollständig unsubstantiiert massive Vorwürfe von Mobbing und sexueller Belästigung erhoben und andererseits sich im Personalgespräch am 13.04.2011 geweigert hat, diese allgemein gehaltenen Vorwürfe zu präzisieren…“

Dieses bösartige Verhalten hat dann auch das LAG erbost, das die Kündigung bestätigt und die Revision nicht zugelassen hat.

Das ist deshalb ein besonders wichtiges Urteil, weil es die perfide und nicht seltene Strategie durchkreuzt, vermeintlich ungestraft alle Kollegen und Vorgesetzten mit schwersten Vorwürfen zu überziehen, die aber nie präzisiert werden, damit irgendetwas hängenbleibt. Sprache und Tenor des E-Mail-Verkehrs der Klägerin ähneln auffallend Internettrollen und anderen Extremisten, die sich auf Meinungsseiten und Blogs herumtreiben. Jede Kleinigkeit wird mit unangemessenen Pauschalangriffen und Beleidigungen „geahndet“, das Gegenüber immer in die Position eines Täters, ja, Verbrechers gedrängt. Augenzwinkernd heißt es dann noch „…die Frau, die keine Gnade kennt…“. Als wäre man ein weiblicher Zorro. Wenn solche Terrorstrategien gegen den Arbeitgeber Erfolg hätten, wäre jeder Betriebsfriede nur ein temporärer Waffenstillstand. Oder – um es mit vielen bekannten und weniger bekannten Regisseuren auszudrücken – so kann man nicht arbeiten. Ein wahres Wort spricht das LAG zu dieser Shitstormstrategie (Gott schütze den Anglizismus):

„…Eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten ist zudem auch darin zu sehen, dass die Klägerin erheblich gegen ihre arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. Dazu gehört es auch, vollständig unsubstantiierte und ehrverletzende Äußerungen und Beschuldigungen gegenüber anderen Mitarbeitern zu unterlassen, die geeignet sind, diese in ihrem Persönlichkeitsrechts massiv zu verletzen und zudem durch die fehlende Substantiiertheit praktisch schutzlos zu stellen…“

Besser kann man das nicht sagen.

Da haben wir also mal ein rundherum gelungenes Urteil und eine rundherum gescheiterte Mobberin.