Ein besonderes Problem des internationalen Arbeitsrechts hat Bezüge zur Teilchenphysik:
Das Kernforschungszentrum CERN kennt mittlerweile fast jeder, vor allem seit die von ihm betriebene Anlage „Large Hadron Collider“ LHC (der größte Teilchenbeschleuniger der Welt) gleich doppelt in die Öffentlichkeit gedrängt wurde. Jetzt hat man dort auch das richtige Arbeitsrecht. Aber gemach – der LHC hat zweifach Furore gemacht:
- Ihm wird, physikalisch eher auf Grundlage einer Geistertheorie, unterstellt, er könne schwarze Löcher erzeugen, die geeignet sein, die Erde, das Sonnensystem oder auch das ganze Universum zu konsumieren. Daher hat man heftig gegen diese Experimente geklagt, allerdings bislang erfolglos (auch vor dem Bundesverfassungsgericht, auf Prozesskostenhilfe übrigens).
- Das CERN wird auch indirekt mit der Finanzkrise in Verbindung gebracht. Die These ist mehr als nur eine Geistertheorie und stammt wesentlich vom britischen Beststellerautor und Blair-Berater Robert Harris. Er hat sie in seinem Buch The Fear Index dargestellt und sie lautet vereinfacht: Durch Einsparungen und den (finanziell bedingten) Verzicht der USA darauf, eine Art US-CERN zu bauen, sind in den letzten Jahren vor 2008 Massen an höchstqualifizierten Wissenschaftler arbeitslos geworden, die in London, New York und der Schweiz Arbeit gefunden haben – indem sie Algorithmen zur Finanzmarktsteuerung in Computer hackten, was dann zur Finanzkrise führte.
Wegen dieser Bedeutung des CERN ist es wichtig, zu wissen, welchem Arbeitsrecht die Mitarbeiter des CERN unterliegen. Geht die Welt unter, stellen sich ja folgende Grundsatzfragen:
- Kann ich den Mitarbeiter, der das Schwarze Loch verursacht hat, fristlos kündigen? Wenn ja, wie schnell muss ich das machen?
- Kann ich den Mitarbeiter, der das Schwarze Loch verursacht hat, mit dem Schaden belasten und ihm die Welt (das Sonnensystem, das Universum) vom nächsten Gehalt abziehen?
- Besteht ein Streikrisiko im CERN nach einem Weltuntergang?
Die Antworten können Schweizerisch oder Französisch und damit sehr unterschiedlich ausfallen. Denn CERN liegt geografisch auf dem Gebiet beider Staaten. Und vom Flughafen Basel weiß man, dass Schweizer dem französischen Arbeitsrecht misstrauisch begegnen. So ist vorstellbar, dass man in der Schweiz einen Schwarzlöchlimacher rauswerfen darf, in Frankreich aber nur, wenn er unter 25 und kein Gewerkschaftsmitglied ist. Ebenso vermuten wir, dass das französische Arbeitsrecht den Schadensersatz für den Weltuntergang anders regelt als die Schweizer. Das Streikrisiko dürfe von allen das größte Problem sein: Französische Streiks sind ja auch sehr gewalttätig (gar keine eidgenössische Eigenschaft) und wenn die Welt untergeht, dann will man ja wiederaufbauen, statt eine bessere Altersversorgung zu fordern. Das geht nur ohne französisches Streikrecht.
Jetzt hat die Schweiz ein neues Abkommen auf den Weg gebracht. Anwendbar ist das Recht des Staates, in dem hauptsächlich gearbeitet wird (mehr als 50% der Arbeitszeit). Ob es unterirdische Ein- und Ausbuchungsstationen gibt, weiß man ebenso wenig, wie klar ist, ob die CERN Leitung Mitarbeiter dann so rotiert, dass der französische Anteil immer unter 50% bleibt.
Sie sehen, welche Probleme es im internationalen Arbeitsrecht so gibt. Aber keine Bange, eigentlich sind sie akademisch. Denn das CERN kann man im Grundsatz nicht vor nationalen Gerichten verklagen. Da lebt es sich auch besser, wenn man an einer so empfindlichen Schnittstelle arbeitet.
Bis zum nächsten Weltuntergang