Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
06.06.2011

Medsonet, Christliche Leiharbeit, Anwaltswerbung und kein Ende

Wir werden jetzt auch noch mit Anwaltsprospekten eingedeckt. Grund ist wieder: Die Zeitarbeit!

Der Streit um die Tariffähigkeit christlicher Gewerkschaften ist groß in Mode. Wir erinnern: Am 14.12.2010 erklärte das BAG die CGZP für nicht tariffähig. Das löst bis heute vor allem einen medialen Sturm der anwaltlichen Werbemaschine aus. Sogar (gerne-)Großkanzleien scheuten sich nicht, jedes potentiell betroffenes Zeitarbeitsunternehmen anzuschreiben. Sie sparen nicht an drastischen Worten. Neben der Pleite droht, meinte ein Werbeträger, dem Geschäftsführer solcher Unternehmen regelmäßig (!) Strafhaft (§ 266a StGB). Einzige Heilung: Sofort eine Großkanzlei einschalten und erst mal drei Partner und fünf Associates ein Gutachten über etwas machen lassen, das man sowieso schon weiß. Zumindest die Pleite rückt dadurch näher.

Jetzt hat es die nächste Gewerkschaft erwischt. Das Arbeitsgericht Hamburg hält die (christliche) Medsonet für nicht tariffähig (Beschluss vom 17.5.2011 – 1 BV 5/10 – Beck-Blog). Also kann man die Werbemaschine noch mal anwerfen.

Grund allen Übels: Die Tarifverträge dieser Gewerkschaften dienten zur Festlegung eines Mindestlohns in der Zeitarbeitsbranche. Jetzt droht nach populärer Auffassung zweierlei: Die Nichtigkeit der Tarifverträge bedeutet, dass höhere Löhne geschuldet sind. Die können die Arbeitnehmer einklagen. Zweitens wollen die Sozialversicherungen die nicht gezahlten Beiträge auf den höheren Differenzlohn. Verjährungsfristen drei (Lohn) bzw. vier (SV-Beitrag) Jahre. Ergebnis: S.o., Pleite.

An der Auffassung des BAG gibt es viele Zweifel. Ob das BVerfG noch etwas repariert, kann offenbleiben – einen schalen Geschmack hat das Vernichten von Tarifverträgen allein deshalb, weil die Gewerkschaften mit ein paar tausend Mitgliedern nicht groß genug sein sollen, schon. Politisch allemal. Hier werden ausschließlich DGB-Interessen durchgesetzt. Deutschland AG eben.

An einige Tatsachen sollte man aber in all dem Rummel schon erinnern:

Die Tarife der Christlichen sind keine “Schmuddeltarife”. Wenn sie unter denen von ver.di liegen, dann ist das nur eine Durchschnittsbetrachtung und wir reden von wenigen Cent/Stunde. Nebenaspekte wie z.B. Sonntags- und Nachtzuschläge könne christlich sogar günstiger ausfallen. Das Bashing der Tarifverträge ist  reine politische Propaganda. Ver.di sollte da ganz still sein. In Berlin klagt gerade ein Tagelöhner bei der BVG. Ver.di hat das nach den Berichten aus dem Gerichtssaal nicht nur abgesegnet, sondern auch eine Entlohnung von knapp über 50 EUR am Tag durchgesetzt. Chapeau!

Ob die Rentenversicherung tatsächliche ihre Vorstellungen durchsetzen kann, ist zweifelhaft. Bei einer Vielzahl an Entleiherbetrieben ist der “equal pay” kaum noch ohne unzumutbaren Aufwand feststellbar. Die Voraussetzungen für sog. Schätzbescheide liegen aber auch nicht vor. Vor den Sozialgerichten wird es da noch manch lustigen Prozess geben.

Die meisten Arbeitsverträge der Leiharbeitnehmer sind nach einem Muster des Arbeitgeberverbandes AMP abgeschlossen. Der enthält eine Ausschlussfrist. Nachzahlungen an Mitarbeiter dürften also zumindest nicht die Regel werden.

Ins Gefängnis muss keiner. § 266a StGB beschreibt nicht den komplizierten Streit um die Tariffähigkeit einer Vereinigung und bürdet dem Arbeitgeber das Risiko einer BAG-Entscheidung auf. Wer so etwas behauptet – gut, ist eben selber schuld.

Das alles heißt nicht, dass Zeitarbeitsfirmen jetzt nicht dringenden Beratungsbedarf hätten. Man kann ihn aber auch seriös befriedigen. Bunte Großkanzleiprospekte mit falscher Panikmache sind dabei ebenso überflüssig wie ein Heer an Associates…

Weblinks

ArbG Hamburg im Beck-Blog: http://blog.beck.de/2011/06/04/arbg-hamburg-medsonet-ist-nicht-tariffaehig

Die Rechtslupe zur jüngsten Entscheidung des ArbG Berlin: http://www.rechtslupe.de/arbeitsrecht/tarifgemeinschaft-christlicher-gewerkschaften-fuer-zeitarbeit-330200

ArbG Berlin beim Beck-Blog: http://blog.beck.de/2011/05/30/arbg-berlin-leiharbeitnehmer-koennen-nachforderungen-geltend-machen

Unsere bisherigen Beiträge: http://www.reuter-arbeitsrecht.de/?s=CGZP

Nachtrag: Bella & Ratzka RAe: http://unternehmerarbeitsrecht.de/index.php/2011/06/cgzp-auch-in-der-vergangenheit-nicht-tariffaehig/