Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
17.10.2011

Maul halten – mit Superkleber

Haben Sie schon mal Superkleber benutzt? Wenn der an die Finger kommt, dann kleben die zusammen. Aber kräftig.

Das ist nutzbringend, wenn man am Arbeitsplatz Kollegen, die als vorlaut empfunden werden, im Wortsinne das Maul stopfen will. So setzte es ein Arbeitnehmer aus Marburg in die Tat um. Aus Spiegel Online:

„…Der 41-jährige Arbeiter wollte nach eigenen Angaben die Wasserflasche des Kollegen mit Sekundenkleber verschließen. Doch der Scherz ging gehörig daneben. Denn der Kleber härtete erst an der Luft und trocknete deshalb an Lippe und Zungenspitze des Opfers aus. Der Mann wurde mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht, wo er mehrere Tage behandelt werden musste. Noch Wochen später hatte der Arbeiter Taubheitsgefühle an Lippe und Zunge. Für ihn auch deshalb bitter, weil er Trompete spielt…“

Der vielfach berichtete Fall ist natürlich eben bloß ein Einzelfall. Weil in anderen Presseberichten (hier bei FOCUS Online) teilweise verharmlosend die Rede davon war, diese – erhebliche – Verletzung sei ja nur eine „fahrlässige Körperverletzung“, folglich nicht so schlimm, kurz der Tatbestand des § 229 StGB (mit unseren Hervorhebungen) zur Gedächtnisauffrischung:

„§ 229 Fahrlässige Körperverletzung

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Keine Bagatelle.

Wir möchten ergänzen: Der Täter hat in seinem Arbeitsverhältnis nichts mehr verloren. „Eine Abmahnung reicht“, so soll es in der Verhandlung gesagt worden sein. Das ist wieder die Aufforderung zu unserem beliebten Gesellschaftsspiel „Dann, bitteschön, formulieren Sie doch mal die Abmahnung!“. Echt witzig – „Sie sollen trompetespielenden Kollegen keinen Superkleber mehr auf die Trinkflasche schmieren, weil Sie damit Ihre Arbeitspflichten verletzen…“. Die Äußerung offenbart auch, dass man leicht etwas ignorieren kann, was doch jeder weiß: Die Abmahnung ist keine Sanktion. Meint man ehrlich, er macht’s dann nie wieder? Oder noch schlimmer: Muss man auf die Wiederholung warten?

Lächerlich.

So etwas ist einer Abmahnung nicht zugänglich. Bei Tätlichkeiten wird sogar in Notwehrsituationen nicht regelmäßig und ohne besondere Umstände eine Kündigung einfach kassiert (LAG Rh-Pf, 22.10.2009 – 5 Sa 448/09). Aber eine so hinterhältige Attacke wie die mit Sekundenkleber auch noch als Dumme-Jungen-Streich abzutun, ist kaum noch vertretbar. Hier gibt es eine Besonderheit: Der Täter hatte sich entschuldigt, das Opfer die Entschuldigung angenommen. Ändert das die Lage? Wir können diese Entschuldigungen täglich bei Presseberichten über Strafverfahren lesen. Hinterher entschuldigen sich alle. Das ist ein Grund, keine Strafanzeige zu stellen oder das Verfahren einzustellen, wenn das Opfer aufrichtig damit einverstanden ist. Ein Grund für eine kündigungsschutzrechtliche Beurteilung nach dem Motto „war schon nicht so schlimm“ ist das nicht.

Foto: Henrik Moltke (Creative Commons)