Können Sie Kärchern? Klar! Haben Sie sicher schon gemacht. Kärcher, das ist der schwäbische Hersteller von Hochdruckreinigern. Wer sie nicht aus dem beruflichen Umfeld kennt, kennt sie mindestens von der Tankstelle oder aus dem Garten. Bei Kärcher zu Haus in Schwaben ist es harmonisch, meint der Betriebsrat. Die IG Metall ärgert das: Nach einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten will sie nämlich den Betriebsrat auflösen lassen. Weil der seinen Job nicht mache.
Kann sie das eigentlich?
Zuerst einmal: Der Betriebsrat findet sich nicht nur selbst gut, er schnitt auch in einer anonymen Umfrage um Unternehmen bestens ab. Sein Hauptvergehen aus Sicht der IG Metall? Der Betriebsrat setzt sich wohl nicht aus Gewerkschaftsmitgliedern zusammen. Dazu muss man wissen: Bei Wahlen werden gerade in größeren Unternehmen verschiedene Listen aufgestellt. Manche Listen sind klar als Gewerkschaftslisten zu erkennen, andere unabhängig. Bei Kärcher hatten die Gewerkschaften, wenn es sie überhaupt gab, das Nachsehen.
Dann: Sie kann. Grundsätzlich. § 23 Abs. 1 BetrVG bestimmt:
„…Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen…“
Dass sie im Betrieb vertreten ist, kann die IG Metall dem Arbeitsgericht durch eine eidesstattliche Versicherung nachweisen, ohne, dass dem Arbeitgeber die Identität des Mitglieds offengelegt werden müsste, das im Betrieb arbeitet (BAG, Urteil vom 25.03.1992 – 7 ABR 65/90). Das nennt man „indirekte Beweisführung“ (zu den Einzelheiten dasselbe Urteil vom 25.03.1992) und es ist ein auf den ersten Blick eigenwilliger Ausgleich zwischen den beiderseitigen Interessen – „vertreten“ ist eine Gewerkschaft wirklich schon, wenn im Betrieb ein einziges Mitglied arbeitet, das nicht leitender Angestellter ist. Aber Repressalien soll das Mitglied nicht fürchten müssen, weil die Gewerkschaft es als Mittel benutzt, um im Betrieb Ärger zu machen. Die IG Metall erzählt der Stuttgarter Zeitung, sie habe gleich mehrere Mitglieder bei Kärcher.
Bleibt aber die Frage, was der Betriebsrat Schlimmes gemacht haben soll. Der Vorwurf hört sich absurd an: Nicht genug Betriebsversammlungen soll er gemacht haben! Die muss er einmal vierteljährlich tatsächlich einberufen (§ 43 BetrVG) – zum Ärger des Arbeitgebers, der sich oft genervt fühlt und großen Kosten ausgesetzt sieht (ein eigenes Kapitel ist die Untersagung von Betriebsversammlungen, die als unangemessen aufwändig gesehen werden (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 15.10.2008 – 2 TaBV 2/08) – es sei denn, man hat seinen Betrieb im Bereich des LAG Nürnberg (wo man nichts essen und trinken darf bei der Betriebsversammlung, außer, man zahlt selbst).
Ist das schon ein grober Verstoß? Sagen wir es mal so – die Bibel der Betriebsverfassungspraxis (die Kommentierung von Fitting) beschreibt genau diesen Fall als „grobe“ Verfehlung – allerdings unter Berufung auf eine Entscheidung des LAG Hessen aus der Jungsteinzeit (LAG Hessen, Beschluss vom 09.07.1992 – 12 TaBV 2/92), in dem das ganz genau so eigentlich nicht drinsteht. Man muss aber auch sagen: Der Betriebsrat räumt seine Verstoß ein, denn er lässt in der Zeitung mitteilen, dass man sich einmal jährlich treffen würde. In der Tat – das wäre dann zu wenig. Und nicht nur, weil es bei Fitting steht – wenn eine verletzte Pflicht nicht nur für den Betriebsrat selbst da ist, sondern auch andere begünstigt, muss man von einer „groben“ Pflichtverletzung ausgehen, wenn sie beharrlich verletzt wird. Die Gewerkschaft ist von der Betriebsversammlung begünstigt, denn sie darf teilnehmen. Spätestens, wenn sie eine solche nach § 43 Abs. 4 BetrVG beantragt hat – das Recht hat sie ausdrücklich – und der Betriebsrat nichts macht – spätestens dann kann man von Beharrlichkeit sprechen. Aber das praktische Problem bleibt: Die IG Metall muss in Waiblingen erst einmal einen unglücklichen Arbeitsrichter finden, der wegen so etwas gleich den ganzen Betriebsrat sprengt.
Mal gründlich auskärchern: Mit Hochdruck möglich, aber ein Abenteuer wird es dennoch.