Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
02.04.2011

Low Performer: Zuwenig “Knöllchen” geschrieben – Rauswurf

 

Wir hätten die folgende Geschichte ja in München eingeordnet (das ist der Ort im Süden, an dem neben Ihnen ein Ordnungshüter aus dem Boden wächst, wenn Sie in den Verdacht geraten, ordnungswidrig zu parken in einer Stadt, in der es mehr Parkverbote als Autos gibt).

Aber sie spielt in Kassel. Ein Hilfspolizist (dass es so etwas überhaupt gibt) hatte nach Meinung der Verwaltung – im Ernst – zu wenige Strafzettel geschrieben. Und das seit Jahren. Ein echter Low Performer! Angeblich gibt es seit zwei Jahrzehnten (!) Ärger mit dem Mann, der einfach zu nachsichtig ist (nach Meinung seines Anwalts aber eben die Gebiete erwischt, in denen einfach keiner falsch parkt). Dann bekam er die Kündigung: Wegen Minderleistung. Man hat sogar ein EDV-gestütztes Statistiktool verwendet, um ihm die Minderleistung im Vergleich mit den Kollegen nachzuweisen (die haben fleißig wie die Bienchen geschrieben).

Das Hessische LAG hat nun die Kündigung nun wohl endgültig für unwirksam erklärt. Erstaunlicherweise vor allem wegen formaler Fehler (Personalratsanhörung), also schien er wirklich als sehr, sehr nachsichtig rübergekommen zu sein.

So ist Arbeitsrecht eben:

“Leistungsbedingte” Kündigungen oder – darum geht es ja – die Kündigung so genannter Low Performer ist ein heißes Eisen im Kündigungsschutzrecht – weil es eine ganze Fortbildungsindustrie speist. In der Praxis ist es dagegen kaum relevant, in den Köpfen der Personalverantwortlichen deshalb ein echter Skandal, für den die Justiz verantwortlich ist. Leistet jemand nichts, kann man ihn in Deutschland nicht kündigen.

Schön: Theoretisch kann man. Aber juristisch ist das eine reine Trockenübung: Hält er nur seine Arbeitskraft zurück, der (zensiert)? Dann muss man nach verhaltensbedingten Grundsätzen vorgehen und z.B. erst einmal abmahnen. Oder ist er zu dämlich? Dann nützen Abmahnungen ja nichts (außer von der Art, wie sie täglich in Anwaltskanzleien vorkommen: “Schalten Sie Ihr Gehirn doch ein!”; “denken sie einfach mal mit”; “das kann doch gar nicht sein” etc…). Diese vom BAG befeuerte übertheoretisierte und nicht handhabbare Verarbeitung einer an sich simplen Tatsache (es klappt nicht) führt dazu, dass man Low Performern eben anwaltlich bewaffnet und über Monate auf den Pelz rücken muss, nur um eine bessere Vergleichsposition zu bekommen, oder es gleich lassen kann. Das BAG einfach dafür zu verdammen, ist einfach, aber ungerecht. Denn man braucht Regeln, um etwas justiziabel zu machen. Obwohl aber jeder, der Arbeitnehmer beschäftigt weiß, wer gut und wer schlecht ist, ist das nicht objektivierbar, meist jedenfalls.

Der Vergleich, der ausgerechnet beim Hilfspolizist offenbar funktioniert hat, ist meist der mit den anderen Mitarbeitern. Das heißt zwar nicht, dass alle immer dasselbe leisten müssen. Aber extreme Schlechtleistung schafft eine Vermutung, die eine leistungsbedingte Kündigung erleichtern kann.

Aber wie so oft: In Kassel wird es wohl wieder nichts. Trotz allem.