„Crazy Union“ könnte auch ein DJ sein oder sogar die Kurzbezeichnung für den Zustand der Union amerikanischer Staaten, denn über 130 Jahre nach Abraham Lincoln haben viele den Eindruck, dass da zusammengewuchert wurde, was nicht unbedingt zusammengehört, um es mal deutsch auszudrücken.
Letzte Woche hat Arnaud Montebourg, der zur Zeit französischer Industrieminister ist, einen Liebesbrief vom Grizzlybären bekommen, in dem viel über die Crazy Union steht. Gemeint ist aber die französische Gewerkschaft CGT, die in Amiens in Nordfrankreich ca. 1.700 Arbeitnehmer einer ehemaligen Goodyear-Reifenfabrik vertritt.
Der Brief ist im Blog von Charles Payne (“Townhall”) dokumentiert, für alle, die nicht immer nur darüber, sondern auch darin lesen wollen. Wer es gelesen hat, weiß, warum Taylor auf seinen Spitznamen „The Grizz“ („der Grizzlybär“) so stolz ist (und ihn verdient hat); auch auf der Website seiner Investmentfirma Titan macht er daraus keine Hehl. Und als Freund des sehr offenen Wortes gilt er ohnehin wegen seines Blogs „Grizztalk“ (welcher deutsche Vorstand hat ein eigenes Blog? Blog-Kultur ist in Amerika weiter entwickelt als in Europa, noch). Aber seit im Oktober sein Aufruf scheiterte, die Demokraten aus dem Amt zu werfen, hat er keinen Eintrag mehr verfasst.
Statt dessen macht er Politik mit Frankreich, indem er dem französischen Industrieminister mal sagt, was faul ist. In Amiens. Und in Frankreich. Schade, dass er das nicht in seinem Blog macht.
Der Brief hat in Europa viel Echo ausgelöst. Vor allem die Leckerbissen:
The French workforce gets paid high wages but works only three hours. They get one hour for breaks and lunch, talk for three and work for three,” Taylor wrote on February 8 in the letter in English addressed to the minister, Arnaud Montebourg…I told this to the French union workers to their faces. They told me that’s the French way!
und
You can keep the so-called workers.
sowie natürlich der subtile Satz:
What does the crazy union have? It has the French government!
inspirieren die französische Öffentlichkeit seitdem sehr (unsere Hervorhebung); das Magazin „Les Echos“ hat dann auch exklusiv die Antwort des Ministers auf seine Website gestellt. Und hier zeigt sich ein Grund für das amerikanisch-französische Missverständnis bereits auf den ersten Blick: Taylor hat seinen Brief in (amerikanischem) Englisch, Montebourg seine Antwort in (indigniertem) Französisch verfasst.
Wie sind diese Leute nur auf solche Ideen gekommen?
Gerade erst hat der Bundespräsident gefordert, (englisches) Englisch müsse die europäische Sprache werden – wie soll Montebourg das in den Tagen davor schon gewusst haben? Was denkt man sich als Amerikaner, einem französischen Minister auf – igitt – Nichtfranzösisch zu schreiben? Wir schließen wegen des gesetzlichen Schutzes der französischen Sprache ein unserem Nachbarland nicht aus, dass sich ein Minister, der so etwas liest, sogar strafbar machen würde.
Also hat er vermutlich das Ding gleich in den Schredder geworfen und seine Inhalt aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung entnommen, die ihn auf deutsch wiedergegeben hat. Da ist ihm der Kragen geplatzt und er hat auf Französisch zurückgeschrieben; das wiederum in der berechtigten Annahme, diese Sprache sei für niemanden ein Problem, der – wie Taylor süffisant nach Paris rief – seinen Vornamen einem französischen „Entertainer“ verdanke, Maurice Chevalier. Da hat er es den Franzosen aber gezeigt, der Grizzlybär. Allerdings lag er wieder daneben, denn Chevalier als „Entertainer“ zu bezeichnen, ist etwa so schlau, wie den Franzosen vorzuwerfen, dass ihre Arbeiter mehr Geld bekommen als chinesische.
Ach, Herr Taylor, das ist schon eine komplizierte Welt da draußen.
Dabei hat er manchmal sogar Recht. Wer an deutsche Betriebsräte gewohnt ist, ist dennoch totally unprepared für das, was man mit französischen Gewerkschaften erlebt, wenn es um Personalabbau geht. Die offen kommunistische CGT hat Goodyear den letzten Nerv geraubt; das Werk in Amiens kann 6 Millionen Reifen im Jahr ausspucken, hat aber im letzten Jahr 1,3 Millionen geschafft. Es ist einfach unprofitabel. Das ist nicht erst seit letztem Jahr klar, sondern mindestens seit dreien. Aber Personalabbau ist in Frankreich einfach ein „No!“ (französisch). Die typische Lösung der Gewerkschaften – wie bei PSA (Hersteller von Citroen und Peugeot-Fahrzeugen) neulich erst geübt – lautet, so lange und so viel Lärm zu machen, bis der Staat Knete gibt. Frankreich hat sich seit Jahrzehnten keine Reform gegönnt, nicht bei den Staatsfinanzen, nicht bei der Mitbestimmung, nicht bei etwas, das hier als „Hartz-Reformen“ durchgeht.
Aber ausgerechnet Montebourg versucht gerade ernstlich, Frankreichs Industrie zu retten. Auf französische Tugenden zu setzen: Man kann da zwar Balance Sheets nicht ganz so gut, aber Engineering ist in Frankreich sogar mit mehr sozialem Ansehen als in Deutschland verbunden. Kein übles Fundament für einen Industriestandort, auch wenn man derzeit noch lästern kann, dann komme eben ein Renault heraus: Ein Auto voller genialer technischer Ideen, gebaut in einem Staatsbetrieb auf eine Weise, bei der man auf den Glauben verfallen könnte, dass es weder ein Prüfung dafür gibt, was der Markt will, noch Baupläne (wegen der Rotweinflecken auf den Zeichnungen?), so dass das Ergebnis so überzeugt, als hätten es Außerirdische vom Hörensagen gebaut, die Einzelheiten der Konstruktion durch das stundenlange Verhör amerikanischer Finanzjongleure erfahren hätten. Montebourg will eine „dritte industrielle Revolution“, und er hat Recht: Man kann nicht die chinesischen Reifen unterbieten, indem man in Amiens jetzt weniger zahlt als in China. Als Amerikaner müsste Taylor das wissen: In Amerika hat diese Philosophie die gesamte Industrie zerstört. Alles. Restlos. Was übrig ist, will keiner außerhalb Amerikas haben.
Jetzt sagen Sie nicht „Peugeot“ oder so.
Seien Sie nicht böse, sondern frischen Sie Ihre frankophile Ader