Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
03.09.2013

Lieber koscher bleiben

…und immer die richtige Marmelade verwenden.

Herr B. arbeitet als Dekorateur für Gebäck in einer Konditorei in Golders Green (Helena Bonham Carter ist da geboren, sonst eine eher unauffällige Gegend). Oder er arbeitete dort, bis er angeblich eine Putzfrau bat, ihm doch schnell im Supermarkt um die Ecke ein paar Gläser Marmelade zu holen, weil er nicht mehr genug hatte, um seine Arbeit zu Ende zu machen. Die verteilte er auf seinen Törtchen.

Dafür flog er raus.

Das Problem war: Der Konditor folgt einer strikten koscher-Regelung und verkauft seine Ware an ein entsprechend religiöses Publikum. Ob etwas koscher ist, wird in einem Zertifizierungsprozess bestimmt, den ein Rabbi vornimmt. Kriegt der Wind von der nicht-koscheren (im Übrigen sicher leckeren – Tesco) Marmelade auf dem (bis dahin) koscheren Törtchen, kann man sich vorstellen, was passiert. Er entzieht das Siegel, das die Geschäftsgrundlage ist.

Entsprechend verteidigte der Konditor sich vor dem Arbeitsgericht. Nicht ganz erfolgreich allerdings, denn in der ersten Instanz gab es 35.000 £ Abfindung für eine unberechtigte Kündigung. In der Berufung sah es besser aus: Man solle einbeziehen, dass B. an seinem Rauswurf nicht unschuldig sei. Maßgeblich war aber für das Employment Tribunal, dass es eine lange Geschichte von Konflikten zwischen den Parteien gab – man habe nur nach einem Grund gesucht, ihn rauszuwerfen.

Was würde man in Deutschland dazu sagen? Vermutlich auch eher eine Abmahnung (keine „scharfe“) für gut heißen, als eine Kündigung. Denn so ganz überzeugend war die Verteidigung des Konditors nicht. Klar ist zwar: Rabbi wütend, Geschäft tot, B. ist schuld. Nur beschrieb das erst einmal eine theoretische Möglichkeit – dass der Rabbi, der für das Siegel zuständig war, überhaupt jemals irgendeine Kenntnis von dem Vorfall hatte oder gar drohte, das Etikett „koscher“ zu entziehen, konnte der Konditor nicht behaupten. Ob das überhaupt aufgrund eines einmaligen Vorfalls geschehen wäre, blieb offen.

Wirklich schön ist aber, was es für Geschichten in Nord London gibt, und vermutlich nur dort: Der Kläger heißt Toufik Benali und dürfte mit diesem Namen kaum viel Berührung mit jüdischer Religion haben. Er arbeitete aber eben in einem Geschäft für koscheres Gebäck. Ich finde das vielsagend.