Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
11.05.2012

Laaaangsame Rolle rückwärts, laaangsam….

Befristung einzelner Arbeitsbedingungen? Schwere Kost zum Wochenende? Pah.

Das sind Befristungen wie:

Ihre Arbeitszeit beträgt vom…bis…nicht mehr 30, sondern 42 h/Woche

oder

„…von…bis…beträgt ihre Vergütung zusätzliche 500 EUR monatlich; in dieser Zeit vertreten Sie den Chef…“

Früher (vor 2005) sah es genauso schlecht aus, wie es gut klang. So was hat nie geklappt. Die Erwartung ist ja: Ist der Endtermin erreicht, geht alles wieder auf Anfang. Aber da gab es eben die „Befristungskontrolle“. Man brauchte eine „sachlichen Grund“, wie er in § 14 TzBfG geregelt ist, über den kann man sich streiten, der wurde selten anerkannt und schwupps, war die befristete Beförderung eine solche auf Dauer.

Dann kamen die §§ 305 ff. und die sog. AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht. Und der (alte) 7. Senat des BAG machte etwas Unerwartetes. Nein, hieß es erstmals 2005 (BAG, Urteil vom 27. 7. 2005 – 7 AZR 486/04), wir unterwerfen die Befristung einer einzelnen Bedingung keiner ausgefeilten Kontrolle im Hinblick auf den Sachgrund. Wir messen sie nur an einer unangemessenen Benachteiligung (§ 307 BGB) und so allgemeinen Grundsätzen wie z.B. der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB).

Ob Sie es glauben oder nicht: Das war ein nie gekannter Liberalismus. Alles schien möglich – oder doch zumindest endlich die risikofreie Flexibilisierung im Hinblick auf einzelne Arbeitsbedingungen. Höhepunkt war eine Entscheidung des Jahres 2007 (BAG, Urteil vom 8. 8. 2007 – 7 AZR 855/06), als auch eine Arbeitszeiterhöhung von 25% als problemlos durchgewunken wurde. Aber schon damals klag das komisch – hier hätte es einen sachlichen Grund gegeben, das wurde echt überbetont…daher hatte man es auch leicht, die Klägerin abblitzen zu lassen.

Der neu besetzte 7. Senat dreht langsam das Rad zurück. In einem zugegeben extremen Fall, bei dem die Hälfte der Arbeitszeit befristet erhöht wurde, hat er sich zwar nicht verbal, aber inhaltlich distanziert (Urteil vom 15.12.2011 – 7 AZR 394/10). Man fühlt sich eben nicht wohlig mit allzu viel Liberalismus:

Jedenfalls bei der befristeten Arbeitszeiterhöhung in einem erheblichen Umfang bedarf es trotz der Unanwendbarkeit des Teilzeit- und Befristungsgesetzes…Umstände, die die Befristung des gesamten – über das erhöhte Arbeitszeitvolumen gesondert geschlossenen – Vertrags rechtfertigen würden

Übersetzung: Das Gesetz wenden wir nicht an, weil wir das ja mal 2005 so gesagt haben, aber wir wenden es doch an.

Klingt doof? Irgendwie schon, aber das ist es vor allem auch. Irre Missbräuche kann man doch auch anders in den Griff bekommen. Aber das Stückchen Rechtssicherheit + Flexibilität, musste man das so radikal austrocknen. Welcher Anwalt rät jetzt noch guten Gewissens zu einer befristeten Arbeitszeit- oder Gehaltserhöhungen? Lieber nicht machen, wird die Haltung nun sein. Schade eigentlich. Noch „schader“, dass das alles so zäh und schleichend geht. Von „Nichtanwendbarkeit“ über „Wertung“ bis „irgendwie anwendbar“ hat die Rolle rückwärts jetzt sieben Jahre gedauert. Vollzogen ist sie noch nicht ganz. Aber fragen Sie sich mal – was ist eine „erhebliche“ Erhöhung der Arbeitszeit?

Ich finde, es hätte ein klares Wort geben müssen. Entweder: Wir geben unsere alte Rechtsprechung auf. War eben nicht so gemeint. Oder: Wir halten daran fest und bleiben einfach mal bei der Sache.

So sieht es doch sehr mutlos aus…