Schweigende Verhandlungen sind die, in denen man selbst nichts sagen muss. Das ist frei von Häme: Es trifft jeden Anwalt mal, und zwar mit einer Chance von 50%. Schön ist’s natürlich nur, wenn man selbst schweigen kann.
Ein schönes LAG in der nördlichen Hälfte der sog. “alten” Bundesländer. An diesem sonnigen Morgen. Es geht um einen Betriebsübergang. Die Klägerin hat sich den Widerspruch dagegen erst 8 Monate überlegt, dann erst mal einen Aufhebungsvertrag mit dem Erwerber geschlossen, dann einen neuen Vertrag mit dessen Tochterunternehmen unterschrieben. Das gefiel in der Folge aber nicht. Also Widerspruch gegen den Betriebsübergang. Die Unterrichtung damals, die war natürlich ganz grottenfalsch. Meint die Klägerin. Deshalb kann sie noch widersprechen. Auch sei ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt. Schon deshalb, weil man ihr den Aufhebungsvertrag abgepresst habe. Ihn anzufechten, traue sie sich bis heute aber nicht.
Schade. Seit der ersten Instanz geht es nur darum, was der Unterschied zu einer BenQ-Entscheidung des BAG sein soll (23.7.2009 – 8 AZR 357/08). Die beschreibt dummerweise genau den Fall der Klägerin. Ergebnis: Widerspruchsrecht verwirkt.
Eröffnung der Berufungsverhandlung.
Richterin (zum Klägervertreter): Wir haben auch nach der Berufungsbegründung nicht ganz verstanden, was an diesem Fall anders sein soll als an der BAG-Entscheidung. Erklären Sie es nochmal?
Anwalt: Die Unterschiede sind fundamental!
Pause.
Pause.
Richterin: Ja, aber mehr so konkret.
Anwalt: Die Klägerin wurde bedroht. Der Aufhebungsvertrag ist damit anfechtbar. § 123 BGB. Der Veräußerer kann sich dann nicht auf eine Verwirkung berufen.
Pause.
Richterin: Aber das wurde beim BAG doch auch vorgebracht. In Rd.-Nr. 50 der Gründe steht ausdrücklich, es komme auf die Anfechtbarkeit nicht an. Weil ja auch der Erwerber – angeblich – gedroht hat. Nicht der hier beklagte Veräußerer.
Anwalt (erhobene Stimme): Das BAG verlangt eine Einzelfallprüfung! Der Fall hier liegt völlig anders. Es ist ein Einzelfall!
Richterin (unveränderte Stimmlage): Deshalb habe ich ja gefragt, wo der Unterschied zum BenQ-Fall aus Ihrer Sicht sei…
Anwalt: Lassen Sie die Revision zu? Das muss ja geklärt werden!
Richterin (unveränderte Stimmlage): Aber was? Der Fall ist doch genauso schon mal entschieden worden, in Erfurt?
Anwalt (wohlwollend lächelnd): Na, weil es grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen hat! Ist doch alles im Fluss bei § 613a BGB.
Richterin (unveränderte Stimmlage): Aber Sie meinten doch eben noch, es wäre ein ‘Einzelfall’, oder?
Anwalt: Deshalb muss es ja geklärt werden. Dazu gibt es noch keine Entscheidung.
Aufnahme der Anträge.
Ich schätze den Kollegen sehr. Er gibt nämlich nie auf. Niemals.