Es geht nicht um Strafhaft, sondern um Erzwingungshaft. Die wird aber auch nicht im Ritz-Carlton, sondern in der Haftanstalt abgesessen.
Unter der Überschrift „Wie man wegen eines Arbeitszeugnisses in den Knast kommen kann“ wurde eine Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz in der Presse besprochen (Beschluss vom 15.03.2011 – 10 Ta 45/11). Ein wenig übertrieben ist das schon. Die Vollstreckung nach § 888 ZPO sieht eine Erzwingungshaft zwar vor, aber nur für den Fall der Uneinbringlichkeit des verhängten Zwangsgeldes.
Das betrug im Fall 600 EUR, war also bescheiden. Der Arbeitgeber war verurteilt worden, ein Zeugnis zu „erteilen“. Er hatte es angeblich losgeschickt – nur leider war es nicht angekommen. Passiert häufig – vor Gericht, nicht im echten Leben. Einer lügt immer, man weiß nur nicht, wer.
Der Zwangsgeldbeschluss blieb in Kraft, weil der Arbeitgeber den Zugang nicht nachweisen konnte.
Daran ist vieles merkwürdig, vor allem, weil das LAG Rheinland-Pfalz so selbstbewusst auf den Arbeitgeber eindrischt.
Zum einen ist erst mal ein kombinierter Anwalts- und Gerichtsfehler festzustellen. In Zeugnisstreitigkeiten wird fast immer beantragt,
„…dem Kläger/der Klägerin ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen…“
Was, muss die erste Frage lauten, ist eine „Erteilung“? Gemeint ist eigentlich: Was kann der Arbeitnehmer verlangen – Übersendung des Zeugnisses? Herausgabe? Dazu gibt es einen juristischen Begriffshimmel – Hol-, Schick-, und Bringschuld. Das Arbeitszeugnis nach § 109 GewerbeO ist nach unumstrittener Meinung eine sog. Holschuld oder Bereitstellungsschuld. Das heißt nichts anderes, als dass der Arbeitnehmer sich sein Zeugnis abholen muss. Einen Anspruch auf Übersendung gibt es nicht. Ist „erteilen“ sprachlich dann die richtige Formulierung? Wohl kaum. Man weiß dann gar nicht, was vollstreckt werden soll.
Das LAG Rheinland-Pfalz weiß das zwar auch, hat aber keine Konsequenzen gezogen. Der Arbeitgeber hatte behauptet, das Zeugnis abgesandt zu haben. Dann hätte man – bevor man Zwangshaft androht – fragen müssen: Warum? Meist beruht das auf einer Verabredung nach dem Urteil, oft ganz nebenbei, oft zwischen den Prozessbevollmächtigten – und große Beachtung wird ihr nicht geschenkt. Sollte sie aber! Denn die kleine Absprache („wo sollen wir das Sch…ding hinschicken?“ – „Gleich zum Kläger“ – „Gut“) ändert den Inhalt des Schuldverhältnisses. Aus der Holschuld wird eine Schickschuld. Sieht man sich die Vorschrift des § 447 BGB an (die aus dem Kaufrecht stammt), könnte man auf die Idee kommen, dass der Kläger dann sogar das Risiko eines Verlustes trägt. Aber egal: Schickschuld ist Schickschuld, und die Aufgabe zur Post reicht. Der Schuldner (Arbeitgeber) hat damit erfüllt; das kann er der Vollstreckung auch entgegenhalten, weil die Änderung von Hol- auf Schickschuld nach dem Ende der mündlichen Verhandlung stattfand.
Das alles wurde nicht aufgeklärt. Ein Fehler? Einwendungen muss der Schuldner noch immer selbst vorbringen. Aber das Offensichtliche darf auch ein Richter nicht übersehen. Warum das Zeugnis verschickt wurde, muss schon offengelegt werden.
Es könnte daher sein, dass das LAG Rheinland-Pfalz einfach eine falsche Entscheidung gefällt hat.
Zeugnisse sind immer noch DAS Streitfeld im Arbeitsrecht.
Weblinks:
Beschluss des LAG Rheinland-Pfalz: http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil_neu.asp?rowguid={DC56D6BC-BFDC-4CD6-A39D-1503F6B8178E} 15.03.2011 – 10 Ta 45/11
Wie man wegen eines Arbeitszeugnisses im Knast landen kann (Versicherungsjournal): http://www.versicherungsjournal.de/karriere-und-mitarbeiter/wie-man-wegen-eines-arbeitszeugnisses-im-knast-landen-kann-108226.php
Außerhalb der Erzwingungshaft: Ritz-Carlton Berlin (mehr für den üppigen Geschmack): http://www.ritzcarlton.com/de/Properties/Berlin/Default.htm?utm_campaign=P10147&src=ps
Unsere lokale Empfehlung statt dessen ist das Hotel de Rome http://www.hotelderome.com/
Jetzt aber Schluss…