Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
05.06.2013

Kein Recht, nirgends?

Es gibt kein Recht mehr dieser Tage.

Kein Recht,…

…als Schöffe seinem gerechten Unmut Luft zu machen („wollen Sie uns hier verarschen…“), ohne von überzogen rechtsstaatlich orientierten Richtern gleich aus Befangenheitsgründen entfernt zu werden.

Kein Recht,…

…im spektakulärsten Terrorprozess der aktuellen Geschichte vom OLG München auf hochdeutsch Opferrespekt, politische Rehabilitation der Republik, ja, die „Wahrheit“ zu erfahren.

Kein Recht,

…als Detektiv mit einem elektronischen GPS-Empfänger Daten über einen anderen zu erheben (BGH, Urteil vom 4. Juni 2013 – 1 StR 32/13). Womit wir das Arbeitsrecht streifen und damit im ernsten Bereich sind. Dieses kontroverse Thema kontroverse Thema hat der BGH (in Strafsachen) jetzt neu poliert. Nur offenbar ohne die erhoffte Klarstellung, was (auch) am Fall selbst liegen mag (oder den Fällen, sie waren ihrer viele). Es geht einher mit der für nicht-Strafrechtler eigenwilligen Formulierung, das sei „grundsätzlich“ strafbar. Also jedenfalls nicht immer. Manchmal. Manchmal auch nicht. Eigenwillig mutet das an, wenn man sich laienhaft an Grundsätze wie nulla poena sine lege certa klammert, denn eindeutig und klar ist das Gesetz nicht. Genauer: die Strafbarkeit ist eigentlich klar; was nicht klar ist, ist die Handhabung des Erlaubnistatbestands. Das ist § 28 BDSG. Und der knüpft die Strafbarkeit an eine Abwägung, die letztlich der Täter machen muss. Und er sollte zu einem „richtigen“ Ergebnis kommen, denn das Gericht macht sie später noch einmal – nur behält ein Gericht dann meist die Oberhand. Das Gesetz sagt, zulässig sei eine Datenerhebung:

„…soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt,…“

Der BGH sagt:

„…Zwar ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Jedoch kann lediglich bei Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an dieser Datenerhebung die Abwägung ausnahmsweise (etwa in notwehrähnlichen Situationen) ergeben, dass das Merkmal des unbefugten Handelns bei diesen Einsätzen von GPS-Empfängern zu verneinen ist…“

Der sprachliche Widerspruch scheint dem befangenen wie unbefangenen Betrachter groß – aus einer Abwägung von Rechtsgütern wird ein Regel-Ausnahmeprinzip gemacht. Die Unsicherheit wächst. Wer die Dinger mit Peilsender anfasst, weiß jetzt letztlich nie, ob er sich strafbar macht. Vielleicht – hoffentlich – sind die Urteilsgründe da ergiebiger.

Abstrahiert man das nämlich, worauf Jens Ferner in seinem Blog ganz nebenbei hinweist, kommt als Alternative zur elektronisch-detektivischen Tätigkeit auch nicht in Frage, dass Sherlock H. sich personalintensiv ins Verfolgerfahrzeug klemmt und ein Notizbuch nutzt (die Kosten solcher Aktivitäten haben erst zum GPS-Sender geführt). Denn das ist zwar nicht elektronisch, aber genauso eine Datenerhebung.

Für Arbeitsrechtler am Wichtigsten: Ist der Arbeitgeber in einer „notwehrähnlichen“ Situation, wenn er glaubt, dass ein Arbeitnehmer ihn betrügt (weil er einen gelben Schein hat, aber trotzdem schwarz arbeitet oder einfach nur keinen Bock hat)? Jens Ferner etwas meint offenbar „nein“ und klar ist nur eines: Gerade das ist vom BGH nicht entschieden worden. Denn der Fall, der zur Debatte stand, war trüber. Schauen sie mal:

Die Angeklagten hatten verdeckt für verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen) Überwachungsaufträge ausgeführt, die zu Erkenntnissen über das Berufs- und/oder das Privatleben von Personen (Zielpersonen) führen sollten. Die Motive der Auftraggeber waren im Einzelnen unterschiedlich: Vorwiegend ging es um wirtschaftliche und private Interessen, die sich teilweise, etwa im Zusammenhang mit Eheauseinandersetzungen, auch überschnitten.

Damit haben die Detektive, die von Arbeitgebern immer wieder eingesetzt werden (müssen) und deren Kosten sogar verlangt werden können (zum Themenkreis BAG, Urteil vom 28.10.2010 – 8 AZR 547/09), wenn alles gut geht, zwar vielleicht noch eine Chance. Wenn man nämlich irgendwann feststellt, dass es eine notwehrähnliche Situation ist, wenn ich mich nicht um meine Entgeltfortzahlung prellen lassen will. Aber zur Zeit dürfte es eher schwer werden, sie zur Arbeit zu bewegen. Denn wer will wetten, dass die Strafgerichte es genauso sehen? Wer will das Versuchskaninchen geben? Den Erfordernissen von § 28 BDSG trägt die bisherige Haltung der Arbeitsgerichte zum Kostenersatz (konkreter Anfangsverdacht, keine exzessiven Kosten, Verfehlung muss ernsthaft und nicht bagatellartig sein) deutlich besser Rechnung als das Regel-Ausnahme-Prinzip, das der BGH hier anscheinend einführt. Wir warten also auf die Entscheidungsgründe. Und bedauern, dass der Ausgangsfall kein arbeitsrechtlicher war: Diese Konstellationen hätten einen Strafsenat beim BGH vielleicht mit einer anderen Perspektive ausgestattet als Ehekrach und der Wille, „belastendes Material“ über andere Personen zu sammeln. So sind jetzt Arbeitgeber und Detekteien verunsichert, denn keineswegs ist die Rechtslage nun klar wie einige meinen. Die Hände reiben darf sich ein echter Täter: Der, der gegen seien Wettbewerbsverbote verstößt und riesige Schäden anrichtet, die ganze Mittelständler zugrunde richten können; der, der den gelben Schein von einem unethisch handelnden Mediziners als Freifahrt nach Mallorca oder auf die Partysause versteht – bei voller Lohnfortzahlung. Das sind keine schutzwürdigen Leute.

Der Chef einer der Detekteien im BGH-Fall hatte übrigens eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten bekommen. Da ist es sichererer, Carsten Hoenigs Empfehlung für sicherere Detektivspiele zu folgen.

Detektiv bei der Arbeit - immer an den Fersen des Bösen?