Wir hatten es im Jahresüberblick angekündigt: Beim Bundesarbeitsgericht stand gestern (Urteil vom 24. März 2011 – 2 AZR 790/09) die Entscheidung über eine Kündigung an, die alleine deshalb erklärt worden war, weil der Arbeitnehmer nicht mehr zur Arbeit kommen konnte.
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Warum konnte er nicht mehr kommen? Er saß ein. Und wie! Er muss ziemlich was angestellt haben (Zitat aus der PM des BAG):
“…Im November 2006 wurde er in Untersuchungshaft genommen. Im Mai 2007 wurde er – bei fortbestehender Inhaftierung – zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die zur Bewährung erfolgte Aussetzung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten widerrufen. Laut Vollzugsplan war die Möglichkeit eines offenen Vollzugs zunächst nicht vorgesehen…”
Wem er nichts angetan hatte, war der Arbeitgeber. Dort ist er nur der Arbeit ferngeblieben und der hat sich natürlich gefragt, was er machen soll. Seine Lösung: Einen neuen Mitarbeiter einstellen und den alten kündigen (war sicher witzig, Kündigung in den Knast. Hatten wir auch mal…). Der Insasse nimmt das aber nicht hin. Sondern erhebt aus dem Gefängnis heraus eine Kündigungsschutzklage. Jetzt hat er verloren.
Im System des Kündigungsschutzes ist das eine personenbedingte Kündigung – es liegt ein Leistungshindernis in der Person des Arbeitnehmers vor. Wie bei einer Krankheit. Klar ist aber auch: Er kommt wieder raus. Anders als in Krankheitsfällen ist die Prognose nicht unsicher, sondern rechtskräftig sicher: Das Entlassungsdatum steht ja sogar fest! Bei Kranken muss der Arbeitgeber dann mit “zumutbaren” Maßnahmen eine Brücke bauen. Hier auch?
Nein, muss er nicht. Dass ein Verurteilter selbst schuld an seiner Lage ist (Strafverteidiger – seht Ihr das auch so?), soll bei der Interessenabwägung eine entscheidende Rolle spielen. Nach Meinung des BAG ist dann “in der Regel” (das ist eine ganz unangenehme Formulierung!) eine Kündigung gerechtfertigt, wenn die Haft voraussichtlich zwei Jahre überschreitet. Das ist harmonisch (wie es sich ein Arbeitsrechtler wünscht), denn es entspricht einer zweijährigen, befristeten Beschäftigung für die Ersatzkraft. Eine längere Befristung muss man der eigentlich wirklich nicht zumuten.
Die meisten Arbeitgeber dürften von diesen Erwägungen verschont bleiben. Noch Fragen? Ja! Zwei Juristen, drei Meinungen. Die Vorinstanz war das LAG Niedersachsen (Urteil vom 27.05.2009 – 2 Sa 1261/08; merkwürdigerweise nicht in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes zu finden; bei BeckRS 2011, 66928). Die kam zum gegenteiligen Ergebnis. Weil sie keine “Betriebsablaufstörungen” beim Arbeitgeber sehen konnte – die Einstellung einer befristeten Aushilfe sei eben möglich. So ist die Welt nun einmal.
Respekt aber vor dem Insassen. Er hat die Sache wirklich durchgefochten.