Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
26.04.2013

Kampf der Befristung? Ver.dient…

Dass sich Dinge je nach Betrachtungswinkel ganz anders anschauen, weiß jeder, sogar ich.

Trotzdem:

Befristungsrecht ringt mir immer wieder einmal Schmunzeln oder auch Asthma ab, je nach Tagesform. Wegen der wundervollen kleinen Widersprüchlichkeiten. Ja, Befristen kann schwerer sein als Kündigen (warum bloß?), der öffentliche Dienst hat viel weitergehende Befristungsmöglichkeiten als die „Privatwirtschaft“ (warum, kann ich mir denken, außerdem: Wasser predigen, Schaumwein trinken, ist das Motto aller Haushaltspolitiker), die im Kündigungsrecht heilige Unternehmerentscheidung gibt es im Befristungsrecht nicht; ach ja, last but not least – und so sehr ich mich darüber gefreut habe – es ist juristisch erwiesen, dass eine gedachte zeitliche Unendlichkeit (die angeblich ohnehin der Relativitätstheorie widerspricht) doch nur drei Jahre währt, aber eben nur im Befristungsrecht (dazu BAG, Urteil vom 6. 4. 2011 – 7 AZR 716/09).

Kampf der Befristung, heißt es politisch und juristisch allerorten, weil die Befristung Unsicherheit schafft, Kinder abschafft (keine Planungssicherheit für Paare) und den Kündigungsschutz unterläuft. Dass der vielleicht der Grund für den Wunsch nach Befristung ist, sei mal geschenkt für heute. Bei ver.di in Heidelberg sieht man es satirisch-feindselig und dreht das „Befristungsglücksrad“. Ebenfalls ver.di geißelt die Befristungspraxis in Hessen (öffentlicher Dienst) heftig, gar nicht so zu Unrecht übrigens in manchen Fällen.

Zwischenergebnis (sozialpolitisch) also: Befristung = böse.

Es gibt bekanntlich in § 14 Abs. 2 TzBfG die absolut rechtssichere Befristung durch die Einhaltung simpler Formalien. Na ja, mehr oder weniger simpel, wie das Urteil des BAG vom 26. 7. 2000 (7 AZR 51/99) zeigt. Egal jetzt. Da – in § 14 Abs. 2 TzBfG – steht im Wesentlichen:

Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig

Soll heißen: Dauert die Befristung nicht länger als zwei Jahre, ist alles in Ordnung.

Außerdem steht da aber:

Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden.

Das nun heißt: In einem Tarifvertrag kann man auch eine längere Befristungsdauer festklopfen.

Nur: Wo findet man eine Gewerkschaft, die das mitmacht?

Die Antwort ist einfach: Im Wach- und Sicherheitsgewerbe. Ist ohnehin nicht für paradiesische Arbeitsbedingungen bekannt. Dort gibt es einen Manteltarifvertrag. Er sagt:

Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von 42 Monaten zulässig.

Wow. Wie man in den Tarifverhandlungen gerade auf 42 Monate und nicht schon ganz auf vier Jahre gekommen ist, ist mir natürlich nicht bekannt. Aber 42 Monate Befristung?

Ja, das ist saftig, aber rechtlich eben zulässig. Hat das Bundesarbeitsgericht im Dezember 2012 festgestellt (Urteil vom 5.12.2012, 7 AZR 698/11). Das Urteil ist jetzt begründet und die Lektüre lohnt sich – es gibt das volle europarechtliche Programm.

Aber eigentlich wollte ich wissen, wer diesen Tarifvertrag auf Arbeitnehmerseite abgeschlossen hat. In der BAG-Entscheidung vom Dezember wird das mitgeteilt:

Der zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) geschlossene und am 1. September 2005 in Kraft getretene Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland…

Ah ja.

ver.di.”

Verirrt im eigenen Koordinatensystem?

(Hier wenigstens wird ja deutlich, was gemeint ist. Immerhin…)