Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
29.02.2012

Kündigung auf Ukrainisch

Kündigungen im ministeriellen Bereich kommen nicht so häufig vor.

In Deutschland beschränken Minister sich auf die Versetzung unbotmäßiger Fahrer, etwa den der niedersächsischen Sozialministerin. Die mochte bekanntlich ihren Fahrer nicht mehr, das Vertrauensverhältnis war wohl zerstört, und versetzte ihn. Dann war er zwar immer noch Fahrer, aber eben nicht mehr Fahrer der Frau Ministerin. Die Ministerin verlor ihren Prozess. Niedersächsische Minister haben schon Schlimmeres erduldet (noch Schlimmeres erdulden frühere niedersächsische Ministerpräsidenten). Aber immerhin könnte man etwas überspitzt sagen, dass in Deutschland aufgrund kaum begreiflicher arbeitsrechtlicher Regelungen nicht einmal Minister mit dem fahren können, dem sie voll und ganz vertrauen.

In der Ukraine ist das natürlich völlig anders.

Zwar werden dort Minister auch durch die Gegend chauffiert, haben Dienstwagen und selbstverständlich einen Chauffeur. Allerdings droht ihnen nicht nur ein Arbeitsgerichtsprozess, den sie möglicherweise verlieren.

Das musste auch der ehemalige Minister für Inneres der Ukraine, Juri Luzenko, jetzt erfahren. Als er noch Minister war, soll er seinen Fahrer viel zu gut behandelt haben. Obwohl der gute Mann noch hätte warten müssen, hatte Herr Minister ihm eben mal eine Einzimmerwohnung beschafft (!). Ein Zimmer. In Niedersachsen fassen die für so etwas nicht mal einen Kredit an.

Als wäre das noch nicht genug, hat er das Gehalt, das sicher kaum zum Leben reichte, auch noch ein wenig (wirklich moderat) aufgebessert. Wie moderat der Minister zu sein meinte, zeigt sich daraus, dass der „Gesamtschaden“ aus alledem auf 4.000 € beziffert wird. Auch hier ist Niedersachsen weit weg.

Schaden?

Ja. Denn der Minister hat sich mit seinem Fahrer zwar prima verstanden, steht aber jetzt trotzdem vor Gericht. Wegen der soeben geschilderten schlimmen Verbrechen soll er nämlich vier Jahre ins Gefängnis. Weil er den Staat durch seine Gefälligkeiten geschädigt habe.

Viktor Janukowitsch, neuer Zar der Ukrainer, hat sich vorgenommen, alle Minister seiner Vorgängerregierung ins Gefängnis zu werfen und jedes Mittel ist ihm dafür recht. Mit der ehemaligen Ministerpräsidentin, angeblich zu ihrer Amtszeit das am besten aussehende Staatsoberhaupt der Welt, gesegnet mit einer scharfen Zunge und einem schnellen Verstand, die sogar Wladimir Putin einst den Schneid abkaufte, ist das ja bereits gelungen.

Nun ist eben der weniger bekannte Luzenko dran. Er hat von Anfang an gesagt, er erwarte keinen fairen Prozess. Er hatte sich nicht geirrt: Den hat er auch wirklich nicht bekommen.

Man soll ja angeblich nicht allzu schlecht über fremde Staatschefs sprechen. Erst zögerlich wird der syrische Staatschef in den Medien als „Diktator“ bezeichnet. Über den ja irgendwie gewählten ukrainischen Staatschef würde man das nie sagen dürfen (in der Ukraine). Der vornehme Londoner Economist z.B. sagt so etwas auch nicht. Er hatte Janukowitsch bereits vor längerem schlicht als „Banditen“ bezeichnet, der sich auch deshalb wie ein Bandit verhalte, weil er nie etwas anderes gelernt habe und seine ganz persönliche Umgebung aus Banditen bestehe. Wie wahr.

Man möchte laut aufschreien, wenn man sieht, wie in 20 Jahren, unterstützt – leider – aus Russland, die letzten europäischen Diktaturen nicht gefallen sind, sondern gestärkt wurden. Es gibt so viele Fronten, an denen die europäische Union für die Menschenrechte kämpfen müsste. Der Krieg in Syrien hat erfolgreich die Ukrainer aus den Schlagzeilen verdrängt. Während Julia Timoschenko in einem Straflager vor sich hin rottet (kennen Sie noch den Archipel GULAG?) wird einer nach dem anderen in das Gefängnis geworfen. Wenn der Herr Präsident der Ukrainer so ein harter Bursche wie der Präsident Syriens ist, wird man von ihnen nie wieder etwas hören.

Man könnte krank werden über dieses neue Europa.