Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
24.01.2012

Jacqueline und der Nationalsozialistische Untergrund im Kindergarten

Der „NSU“ (damit ist die gleichnamige Automarke endgültig erledigt) wirkt bis ins Arbeitsrecht zurück.

Aus Spiegel Online:

So wurde Jacqueline Wohlleben, der Ehefrau des inhaftierten Ralf Wohlleben und Mutter seiner beiden Töchter, kurz nach seiner Festnahme am 29. November fristlos gekündigt. Die ausgebildete Erzieherin hatte seit September 2010 im Jenaer Ortsteil Kunitz in einer privaten Kindertagesstätte gearbeitet. Nun klagt sie gegen ihren Arbeitgeber.

Gegen die Kündigung, nehmen wir an.

Fragt sich nur, mit welchen Aussichten. Der private Träger kann nicht ohne weiteres das Privileg des öffentlichen Dienstes übernehmen, keine Nazis beschäftigen zu wollen (was aber auch im öffentlichen Dienst nie unbeschränkt funktioniert). Man kann sogar darauf verfallen, eine solche Kündigung als diskriminierend im Sinne des AGG anzusehen, weil sie letztlich aus weltanschaulichen Gründen geschieht.  Versuche, diese Anspruchsgrundlage z.B. für Marxisten nutzbar zu machen, sind aber bislang gescheitert und im Falle von Nazis hoffentlich auch zu dreist, um ausprobiert zu werden.

Vom Ergebnis her gedacht, kann man unter außergewöhnlichen Umständen Frau Wohlleben (*) durchaus kündigen, alleine, weil sie die Frau des bekannten Nazitäters ist. Das würde einen unerträglichen öffentlichen Druck auf die Einrichtung voraussetzen, der ihr nicht mehr zugemutet werden kann. Bei einer solchen personenbedingten Kündigung verliert Frau Wohlleben dann ihren Arbeitsplatz, selbst, wenn sie nichts falsch bei der Arbeit gemacht hat und sich gar nicht mit den Aktivitäten und Ansichten ihres Mannes identifiziert. Dass sie mit ihren unterstellten Ansichten nicht zur Einrichtung passe, wie der Arbeitgeber es sieht, mag sein, reicht aber kündigungsrechtlich nicht aus. Solche Argumente sind in reinen Tendenzbetrieben oder religiösen Einrichtungen zugkräftig, der Kindergarten ist beides nicht.

Solche Drucksituationen berichtet die Presse aber nicht (wiewohl Frau Wohlleben sie andeutet). Die Einrichtung ist einen anderen Weg gegangen. Man habe kein zufriedenstallendes Gespräch führen können, trotz einer Distanzierung gab es früher auch mal rechtsextreme Aktivitäten, heißt es da nebulös. Das klingt schwach. Dass die Politik auf die Erziehung durchgeschlagen ist, müsste man schon belegen und ggf. auch abgemahnt haben.

Wie geht es also aus? Das wenigstens dürfte klar sein. Es wird eine Vergleichslösung geben. Wie immer. Das wäre auch das Beste so. Denn, wie Carsten Hoenig dazu schreibt, macht man’s richtig, macht man’s falsch. Und da man anscheinend schon bei der Einstellung ein wenig braune Soße sah, hat man jedenfalls auch bislang schon nicht alles immer richtig gemacht. Allerdings: Die typische Abwägerei (Eierei) bei solchen Kündigungsfragen ist ja nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist, sich überhaupt zur Kündigung zu entschließen. Das verdient zwar keinen Tapferkeitspreis für Zivilcourage, ist aber dennoch – richtig. Und man muss einfach auch das Richtige tun, manchmal. Ist das Sippenhaft? Nein. Frau Wohlleben zeigt in den wenigen öffentlichen Äußerungen, die sie tätigt, nicht sehr viel Distanz zu bestimmten Ansichten, und aus ihrem Mund klingt es dann ein wenig, nun, schräg, wenn sie von ihrer „Heimatverbundenheit“ spricht. Natürlich dürfen auch solche Leute einen Arbeitsplatz haben. Wenn ihnen den jemand geben will – Privatautonom.

(*) Ich weiß: Keiner kann was für den Namen, den er/sie trägt. Aber bei der NSU sind die Namen schon auffällig: Wohlleben. Mundlos. Also echt: Man ist sprachlos.