Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
26.09.2011

Iris R, WETTIN-LÖBEJÜN und voller arbeitsrechtlicher Crash

Seien Sie mal ganz ehrlich, von Wettin-Löbejün haben Sie noch nix gehört.

Es liegt im Bezirk des Arbeitsgerichts Halle.

Es gibt ein Rathaus.

Da gab es eine Personalchefin, die gibt es jetzt wieder.

Der Rest ist Provinzposse vom Feinsten:

Iris R. arbeitet Vollzeit als Personalchefin. Im Rathaus. Sie arbeitete dann auch noch im Wahlkreisbüro des Abgeordneten, der in Personalunion dort Bürgermeister war. Das dürfen dann so 80 Stunden/Woche gewesen sein. Wobei die Mitteldeutsche Zeitung eigentlich nur berichtet, dass sie dort als Vollzeitkraft „bezahlt“ wurde – ist ja nicht dasselbe wie „arbeiten“ (empirisch nachprüfbar im Bankenviertel bei Ihnen um die Ecke). Beides verträgt sich nicht, und aus dem Job als Personalchefin schmiss die Stadt sie raus. Nicht zuletzt – man staune – auf Druck der wütenden Rathausmitarbeiter. Die werden auf einem Pressefoto abgebildet, wie sie Transparente gegen ihre Chefin hochhalten.

Der Doppeljob ist ein Problem, keine Frage. Er war bei der Stadt nicht angemeldet. Ob das immer einen fristlosen Rauswurf rechtfertigt, ist eine Einzelfallfrage, aber es könnte schon sein. Hier gab es drei Gerichtsentscheidungen (!), alle zu Gunsten der Iris R. Nach der ersten Kündigung entdeckte man, dass es ein Personalvertretungsgesetz auch in Sachsen-Anhalt gibt. Hört man den Personalrat nicht an, ist die schönste Kündigung unheilbar nichtig, wie das im Juristensprech so heißt. Muss man wohl nicht näher erläutern. Der armen Stadt kann man ja keinen Vorwurf machen: Einer ordentlich ausgebildeten Personalerin wäre das zwar nicht passiert, deswegen hat man sie ja – wenn man aber eben die einzige Kompetenzträgerin rauswirft, kann das schon mal vorkommen.

Nach dieser ersten Runde wollte man – vermuten wir – den Personalrat anhören. Aber ach, die Mitarbeiter waren so wütend, dass – so berichtet die Presse – die Rathausleute sich genötigt sahen, einfach noch einmal zu kündigen – ohne auf den lästigen Personalrat zu warten. Da gilt doch wohl das 11. Gebot: Du sollst denselben Fehler nicht zweimal machen. Umso besser, dass man dann auch noch zwei Instanzen durchfocht, um die Kündigung – äh – durchzusetzen. Was hat man sich gedacht? Dass die sich bei einer nichtigen Kündigung ohne Abfindung einigen würde? So naiv ist man in Halle nicht. Eigentlich.

Jetzt wird die Dame erfahren, was der Kündigungsschutz in Deutschland wert ist: Sie kommt ja in ein Büro, vor dem sich Sprechchöre bilden, um ihren Rauswurf zu fordern. Will man so arbeiten? Man muss nur stur genug sein. Warum man es nicht endlich mal mit Personalratsanhörung ein drittes Mal versucht hat? Ach ja: Man hat gemerkt, dass die Dame bis 2010 selbst dem Personalrat angehörte. Damit scheidet erst einmal aus, sie gegen Zahlung einer Abfindung als leitende Angestellte herauszuzwingen (was nach § 9 KSchG in diesem Ausnahmefall möglich wäre). Ein GAU, sozusagen.

Die Personalratsanhörung, das wäre so eine Sache gewesen, die man vermutlich in der Erstberatung eines beliebigen Rechtsanwalts hätte erfahren können (so ca. 180,00 €). Selbst mit einem Spezialisten-Stundensatz von z.B. 350,00 EUR wäre das immer noch billiger gewesen (Zitat aus der Mitteldeutschen Zeitung, s.o.):

„…Außerdem musste die Verwaltung für die Prozess- und Anwaltskosten aufkommen. Alles in allem waren das mehr als 70 000 Euro…“

Da hat jemand tief in die Tasche gegriffen.

Man kann es sich nicht verkneifen: Was geschieht mit dem, der die zweite Kündigung wider besseren Wissens ausgesprochen hatte?

Was?

Unser Vorschlag: Das sollte die Personalchefin entscheiden. Sie ist ja wieder da.
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