Aufhebungsvereinbarungen, mit denen beide Parteien durch ihre Unterschrift einen Arbeitsvertrag aufgelöst haben, sind felsenfest. Anfechtungen sind ja auch nur das allerletzte Mittel, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 5.11.2010 - 6 Sa 1442/10) hatte soeben einen besonderen Leckerbissen zu verarbeiten. Verpackt ist die amtliche Veröffentlichung in einen sehr denkwürdigen Leitsatz, der mit Anfechtung auf den ersten Blick so gar nichts zu tun haben will:
“Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer darüber zu belehren, dass es schwieriger ist, sich von einem Aufhebungsvertrag zu lösen, als gegen eine fristlose Kündigung vorzugehen.”
Das hätten sie auch nicht gedacht - dass ein vernünftiger Mensch überhaupt annehmen kann, es gäbe eine solche Verpflichtung.
Anders das Arbeitsgericht in diesem Fall: Es hatte einen Fall vor sich, in dem - mal wieder - “nur” ein paar Taschentücher geklaut worden waren. Anders als “Emmely” hat die Klägerin hier auf die Ansage des Geschäftsführers hin, dass es hier nur fristlosen Rauswurf oder Aufhebungsvertrag gäbe, einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet. Es reute sie, und sie ließ ihn wegen widerrechtlicher Drohung (§ 123 BGB) anfechten. Das Arbeitsgericht (Potsdam) ging, auch noch unter Emmelyschock, ganz einfach vor. Hat der Arbeitgeber gedroht? Ja - mit fristloser Kündigung. War die Drohung widerrechtlich? Klar: Die Kündigung wäre ja unwirksam gewesen. Operation Bagatelle.
Daran kann man auch Zweifel haben. Am Ergebnis der Anfechtung allemal auch: Wenn die Gleichung hier stimmt, kann man anfechtungssichere Aufhebungsverträge nur schließen, wenn man ohnehin kündigen könnte. Dann ist der Aufwand ja ziemlich überflüssig.
Das LAG sieht das dann auch anders. Eine Drohung ist danach nur dann widerrechtlich, wenn der Drohende selbst nicht glaubt, dass er die Drohung umsetzen kann, oder sein Standpunkt nicht mehr vertretbar ist - mit anderen Worten: Wenn er selbst weiß, dass seine Drohung Schwachsinn ist. Das entspricht dem Standpunkt der Zivilgerichte (BGH, Urteil vom 19.04.2005 - X ZR 15/04 - NJW 2005, 2766 zu II 6a der Gründe, zit. vom LAG a.a.O.). Hier ist es aber wichtig - denn der Arbeitgeber ist kein Arneitsrichter. Er muss den “Prozess” nicht durchspielen. Er darf darauf vertrauen, dass man wegen eines Klaus auch kündigen kann. Dann ist die Drohung nicht widerrechtlich.
Der Vertreter der Klägerin hatte das Blatt versucht zu wenden, indem er ein geschicktes Argument einführte: Der Arbeitgeber sei überlegen und müsse daher darauf hinweisen, dass der Arbeitnehmer - wenn er den Aufhebungsvertrag unterschreibe - schlechtere Möglichkeiten habe, davon wieder runterzukommen, als bei einer Kündigung. Gut, aber nicht gut genug - die Rechtsprechung ist sehr zurückhaltend, wenn es um Aufklärungspflichten geht. Das LAG folgt der Linie, dass es, wenn überhaupt, solche Pflichten für die Aufklärung über sozialversicherungsrechtlichen Folgen gibt, die ein Aufhebungsvertrag haben kann. Eine Art juristischer Belehrung über Anfechtungsmöglichkeiten ist weltfremd. Und es gibt sie nicht.
Erfreulich.