Ich habe ja jetzt durch viele freundliche Hinweise die Erfahrung gemacht, dass Urheberrecht mehr als industrialisierte Filesharingabmahnungen bedeutet. Viel mehr. Allerdings wusste ich das auch schon vorher – aber in welchem Ausmaß man offenbar als Fotografin vom Klau im Netz betroffen ist, darauf hat mich Liz Collet hingewiesen, die mir zugegebenermaßen dafür erst ein wenig die Augen geöffnet hat (und dem Thema auf ihrem Blog jetzt mehr Raum als früher widmet). Zumal es wohl (fast) nur Verletzter mit grenzdebilen Ausreden gibt.
Über einen Fall dieser Art mit offenbaren arbeitsrechtlichen Bezügen (tja) macht Sie sich auf ihrem Blog gerade Luft. Der Herr (Verletzer) will wohl keine Entschädigung zahlen. Für das Bild, das er geklaut hat. Weil er in Urlaub will. Und der will ja auch finanziert werden. Nun, auf was für Ideen die Irren dieser Welt kommen, lässt sich möglicherweise sogar einer, der schon ohne allzu viel Aufheben in der Geschlossenen sitzt, nicht träumen. Dir Irren sind eben draußen, nicht drinnen. Bevor ich der Kollegin und Fotografin aber inkompetenten strafrechtlichen Rat gebe („lassen Sie die Verletzer künftig einweisen – Sie wohnen ja in Bayern, da ist das kein Problem“ – die Verletzer haben ja auch ein „wahnhaften Weltbild“…), will ich die von ihr gestellte arbeitsrechtliche Frage aufgreifen. Nicht zuletzt, weil ich gestern beim Arbeitsgericht ohnehin einmal kurz gedanklich mit dem Ausruf „weltfremd“ auf den Boden spucken musste. Weltfremd ist gefährlich, bei Arbeitsrichtern.
Also. Sehr geehrte Frau Kollegin und Fotografin:
Sie stellen fest:
Und ganz sicher steht es sogar noch irgendwo im Urhebergesetz, das Urlaubsgeld für Urheberrechtstäter durch den Urheber. Ich kenne eben nur einfach das Gesetz nicht.
Ich kann Sie beruhigen, Frau Kollegin.
Das mit dem Urlaub steht im Bundesurlaubsgesetz, nicht im Urheberrechtsgesetz. Danach ist für den Urlaubsanspruch entscheidend, ob ein Arbeitsverhältnis besteht (ergibt sich nicht so direkt, aber indirekt etwa aus § 4 BurlG und der dauernden Erwähnung des Begriffs „Arbeitnehmer“). Legen wir die Realitätsaffinität einer Verhandlung vor einem ungenannten Arbeitsgericht dieser Tage zu Grunde, gilt demzufolge:
Urlaubsanspruch des (urheberechts-) Verletzers
1. Arbeitsverhältnis und Urlaubsanspruch (+)
Sie machen es sich ja sehr einfach. Irgendwie unterstellen Sie, Sie hätten mit dem Mann kein Arbeitsverhältnis. Das hält einer Prüfung kaum stand.
Das Arbeitsverhältnis wird zunächst – Ausnahmen bestätigen diese Regel – davon bestimmt, dass es einen irgendwie gearteten Vertrag zwischen den Parteien gibt.
Sie, sehr geehrte Kollegin, haben den Typen Verletzer Arbeitnehmer ja abgemahnt. Wer mahnt denn auch ab, wenn nicht in einem Arbeitsvertrag? Die Abmahnung ist geradezu typisch für das Arbeitsverhältnis (vor allem, weil es auch nach 9 Abmahnungen für zu spätes Melden bei Erkrankung offenbar nicht beendet werden kann, aber ich schweife wieder in die gestrige Verhandlung ab). Dur Ihr Anschreiben und seine Antwort entsteht jedenfalls eine rechtliche Sonderbindung. Die wechselseitigen Erklärungen – Sie mit der Abmahnung, er mit dem Urlaubsverlangen – weisen eine gewisse Kongruenz auf. Nehmen wir hinzu, dass er Urlaub von Ihnen verlangt – auch typisch für Arbeitnehmer – dann werden Sie das Bestehen eines Vertragsverhältnisses vor dem Arbeitsgericht nur schwer wieder aus der Welt schaffen.
Zwischenergebnis: Vertragsverhältnis (+)
Das Arbeitsverhältnis ist immer ein solches, wenn es so bezeichnet wird (BAG, 13.03.1987 – 7 AZR 724/85). An einer ausdrücklichen Bezeichnung fehlt es hier. Aber der geschilderte Dialog – über Urlaub! U-r-l-a-u-b! Sie erinnern sich – das deutet doch sehr auf ein Arbeitsverhältnis hin. Außerdem haben ja Sie gesagt, Sie würden Urlaubsgeldzahlungen ablehnen (auch öffentlich!) – man fragt sich, wieso Sie das machen, wenn Sie nicht einmal von einem Arbeitsvertrag ausgehen.
Trotz dieser Zweifel ist der Beweis, dass beide Seiten von einem Arbeitsverhältnis ausgingen, damit nicht erbracht. Es kommt deshalb auf die tatsächliche Vertragsdurchführung an (BAG, 19.11.1997 – 5 AZR 653/96).
Da sieht es schlecht für Sie aus. Denn in dieser Durchführung muss eine soziale Abhängigkeit zum Ausdruck kommen. Eine bloß wirtschaftliche Abhängigkeit reicht nicht, kann hier aber unterstellt werden. Ohne Sie kann der Mann seinen Urlaub nicht finanzieren! Persönlich abhängig ist er vielleicht auch. Dazu fehlen Feststellungen – etwa, ob er nur Ihre Fotos oder auch die anderer Marktteilnehmer klaut. Ihrem eigenen Vortrag entnehmen wir aber, dass es wohl nur Ihre waren. Wie persönlich, Frau Kollegin, soll es noch werden? Das Ergebnis steht auch ohne Beweisaufnahme: Es liegt ein Arbeitsvertrag vor.
2. Zur Höhe des Anspruchs:
Die hängt von der Dauer des Vertragsverhältnisses ab, also, wie lange der Verletzer Ihr Bild schon genutzt hat. Bei mehr als 6 Monaten ist der volle Jahresurlaub fällig (§ 3 BurlG). Wenn Sie jetzt die Nutzung untersagen (etwa durch konkludente Kündigung im Wege der einstweiligen Unterlassungsverfügung), dann ist klar: Sie zahlen den Urlaub aus (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Womit wir bei dem jetzt ja wohl gar nicht mehr so lächerlichen, unberechtigten, an den Haaren herbeigezogenen Urlaubsanspruch wären. Allerding können wir Sie trösten, und zwar in zweierlei Hinsicht.
Erstens gibt es nach dem BurlG nur Urlaubsentgelt. Extra was drauf gibt’s nur nach Tarifvertrag, und für die Anwendbarkeit eines solchen haben wir keine Anhaltspunkte.
Also: Sie müssen nur im Urlaub weiterzahlen (oder das Bild auf seiner Website belassen), aber nicht noch etwas drauflegen.
3. Unerkannte Risiken:
Da ist noch etwas, das Sie bedenken sollten:
Der Arbeitnehmer – Sie wollen es doch gar nicht mehr leugnen: Ihr Arbeitnehmer – hat noch nicht gefragt, wem das Foto gehört und ob ihm irgendwelche Rechte zustehen. Am Foto. Hat er mehrere Fotos geklaut, dann hat – siehe oben – das erste zwar das Arbeitsverhältnis begründet. Die anderen hat er dann aber (Entfernen des Copyright-Vermerks etc.) während des Arbeitsverhältnisses umgearbeitet. Zeit also, über eine Arbeitnehmererfindung nachzudenken, die vom Gesetz über Arbeitnehmererfindungen geregelt werden. Nach § 2 AErfG ist die Entfernung des Copyrights wohl nicht geschützt, denn sie dürfte kaum patentfähig sein. Das kann man anders beurteilen, aber die gegenwärtige Sachlage ist da m.E. eindeutig.
Allerdings kann man eine technischen Verbesserungsvorschlag nach § 3 AErfG schlechterdings nicht leugnen: Ihre Fotos sehen ohne die störenden Copyrightdinger besser aus. Er hat den Weg dahin geebnet. Sie nehmen das auch in Anspruch, denn die Fotos werden von Ihnen an zahlende Kunden ja auch ohne den störenden Vermerk verkauft. Oder? Oder!
4. Vorschlag:
Die Einweisung in die Psychiatrie scheint doch besser zu sein.