Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
25.10.2012

Ich verstehe die Griechen

Ja, es ist falsch, von „den Griechen“ zu sprechen. Die Griechen, die in Leicester ein MBA-Studium gemacht haben und meist über eine eigene Yacht oder wenigstens einen Sportwagen, dafür aber nur über bescheidenes Studieninteresse verfügten, waren ganz andere Griechen als die Griechen (aus Kreta), die einen “Spiegel”-Redakteur wegen übler Nachrede verklagten, weil er geschrieben hatte, dass die mehr Schafe gemeldet hätten, als es auf Kreta gab (zum Zwecke der Subventionierung…).

Verallgemeinern wir trotzdem:

Heute ist die Regierungskoalition in Griechenland zum x-ten Mal erst auseinandergebrochen, dann im Wege des Dementis doch wieder zusammengefügt worden, so dass jetzt nicht mehr klar ist, ob sie jemals auseinandergebrochen ist. Grund waren die Vorbehalte gegen die von der „Troika“ gewünschte Arbeitsrechtsreform.

Arbeitsrecht als Koalitionsbruch! Das hat es hier schon lange nicht gegeben (tatsächlich wohl noch nie…)

Man kann jetzt lesen:

Evangelos Venizelos von der PASOK wollte alles hinschmeißen wegen der Arbeitsrechtsreformen. Dazu wurde ein offenbar gefälschtes, dreiseitiges Dokument lanciert. Danach werde Athen von Berlin aus regiert, auch im Arbeitsrecht. Putzige Vorstellung. Schon am Abend war das allen Beteiligten egal.

Was kann man den Griechen raten? Nach dieser Woche nur eines: Lasst Euch bloß nicht von deutschen Arbeitsrechtsexperten beraten!

Gut. Man kann auch argumentieren, Griechenland habe bisher gar kein Arbeitsrecht, weil die Abwesenheit jeglicher Umstrukturierungs,- Kündigungs- und sonstiger Sanktionsmöglichkeiten eigentlich kein Arbeitsrecht ist. Ein Arbeitsrecht ist dann besser als kein Arbeitsrecht, man kann das deutsche Arbeitsrecht also nehmen, wenn die Deutschen es schon anbieten – sicher ein gutes Geschäft für C.H. Beck, alle deutschen Gesetze und Kommentare ins Griechische übersetzen und ab damit…). Aber der aufmerksame und im Deutschen geschulte – griechische – Leser der juristischen Blogs hat diese Woche doch nur Folgendes vom deutschen Arbeitsrecht gesehen:

Piloten (Airlinerecht eben, Sie wissen, was ich meine) nehmen die Gerichte in Anspruch, weil die keine Mützen tragen wollen (Liz Collet kommentierte). Sie werden nicht etwa zu prozessunfähigen Querulanten erklärt: Der Arbeitgeber war nämlich nicht besser. Er hat den eingeteilten Piloten – es ging nach New York – eben mal nach Hause geschickt. Wegen fehlender Mütze. Jetzt wissen Sie auch, warum sich der Flugverkehr in der Pünktlichkeit immer weiter der Bahn AG nähert (die hat aber bessere Ausreden, siehe hier).

Wer wollte, konnte sich ja auch mit Speckröllchen befassen. Menschlichen. So soll man seine Kollegen nicht auf Facebook (Gähn! – Facebook. Mal ehrlich – so was von altbacken…) als „Speckrollen“ beschimpfen (Thorsten Blaufelder kommentierte). Oder eigentlich doch, weil die Kündigung kassiert wurde. Zu lange her (2008! – gab es da schon Facebook???) und außerdem provoziert (die vorgeblichen Speckrollen hatten ihn angeschwärzt beim Chef, zu Unrecht) – der Fall wollte außer Einblicken in die Streitsucht mancher Leute einfach keine juristischen Erkenntnisse liefern.

Aber es sind nicht nur die (deutschen) Arbeitnehmer und Arbeitgeber. An Kuriositäten besteht ein derart großes Interesse, dass auch die Anwälte mitmachen. Der wohl bekannteste deutsche Arbeitsrechtler, Jobst-Hubertus Bauer (der bei der Kanzlei arbeitet, die in Sachen EnBW/Mappus…äh…lassen wir das mal, er hat damit echt nichts zu tun, nach allem, was man hört), hat jetzt sogar ein Buch geschrieben, das kuriose Arbeitsrechtsfälle zusammenfasst (obwohl die meisten der in der “Süddeutschen Zeitung” berichteten Auszüge Lesern unseres Blogs bekannt vorkommen dürften, ist es sicher ein gewohnt lesenswertes Buch *).

Welchen Anlass hätte deshalb Venizelos, ausgerechnet den Deutschen ein reformfreudiges Arbeitsrecht zuzutrauen?

Eben: Keinen. Aber Athen wird ja nicht aus Berlin regiert. Als Beweis dafür wurde übrigens ins Feld geführt, dass das inkriminierte Dokument keinen Bundesadler trüge. Wenn nur die Beweisführung vor Gericht immer so einfach wäre.

* J.-H. Bauer, „Recht kurios“, C H Beck, München 2012