…jedenfalls kein Sprachspießer.
Das sind Leute, die hinter jedem Busch einen Anglizismus vermuten, im nächsten Augenblick aber von ihrem „Handy“ reden, weil auch ihnen der Begriff „Mobiltelefon“ nicht behagt. „Handy“ mag man als Scheinanglizismus sehen, aber wir wollen die Diskussion nicht allzu sehr verfeinern: Sie wissen, von wem ich rede.
Ich finde auch nichts dabei, von Human Ressources oder HR zu sprechen. Aber: Nehmen wir an, Sie sind Personaler oder stellen jedenfalls jemanden ein (was auch ganz normale Leute, nicht nur Personaler, täglich machen). So im Sinne von „Arbeitsvertrag abschließen“. Nehmen wir weiter an, Sie wollen den erst mal ein bisschen googeln (Scheinanglizismus oder was?) oder auf Facebook, XING oder LinkedIn etwas über ihn herausfinden, einfach mal so…für diese Tätigkeiten fehlt ein passendes angelsächsisches Verb, oder wenigstens eine Begriffssequenz, um diese Tätigkeit zu beschreiben (a là „due diligence“) – „…auf Facebook suchen…“ klingt eben nicht dolle (nebenbei: Man findet gegen alles Geunke wegen der „privacy“-Einstellung [anglo-germanische Hybridkreation] auf Facebook übrigens verdammt wenig heraus).
Ihr Problem ist jetzt gelöst.
Man schlägt die neue NZA auf und findet einen Artikel des Kollegen Thomas Kania. Der schreibt viel, und übrigens auch viel Gutes (u.a. im Erfurter Kommentar). Auch der neueste Beitrag (mit Piero Sansone, NZA 2012, S. 360) ist übrigens wirklich gut; ich brauche also nicht auf Jobst-Hubertus Bauer zurückzugreifen (einen anderen publikationstüchtigen Kollegen), der mal seinerseits schrieb, wer viel publiziere, müsse auch Kritik vertragen.
Aber der Titel des Beitrags hat mich fast vom Stuhl gehauen:
„Möglichkeiten und Grenzen des Pre-Employment-Screenings“
Heul.
Muss das wirklich so heißen? Das ist genau die Tätigkeit, die ich Ihnen oben beschrieben hatte.
Nein, muss es nicht. Wird schon am Anfang des Beitrags klar:
„… Das Pre-Employment-Screening [Anm. Des Autors: Auch im Original ohne Anführungszeichen…] (auch „Background Check“ oder „Pre-Employment Due Diligence“) bezeichnet die Überprüfung des Hintergrunds eines potenziellen Arbeitnehmers vor dessen Einstellung (1)…“
Hätten wir nicht gedacht. Alles klar!
Das alles kann man übrigens auch belegen. Die (1) im Zitat ist im Original nämlich eine Fußnote, und die verweist auf…ja! – Die Wikipedia, und zwar hierher: http://en.wikipedia.org/wiki/Background_Check
Das ist – wie man ja unschwer sieht – die englischsprachige, inhaltlich hier aber amerikanische, Wikipedia. Ja, wenn es da steht, dann muss es das wohl auch geben, jedenfalls in den USA.
Heul 2.
Was hat das mit uns zu tun, auf dem alten Kontinent, in Old Europe, um es mit Donald (Rumsfeld) zu sagen? Glücklicher wird man nicht, wenn man weiter belehrt wird:
„…Das Pre-Employment Screening wird…als Maßnahme…der Unternehmenssicherheit gesehen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Personen, die bereits wirtschaftskriminell geworden sind, durch Hintergrundrecherchen identifiziert werden können…“
Dass es vorgeblich um Wirtschaftskriminelle geht, wenn man den neuen Hausmeister oder Webdesigner ausspioniert, ist ein geringer Trost. Die will ja jeder fangen. Dass sich Wirtschaftskriminelle einen entsprechenden Lebenslauf auf XING hinterlegen, ist aber immerhin fraglich
„…2003-2008: Vorstand der X-Bank AG, Bereich: Risikomanagement;
2008-2010: Haftverbüßung JVA Aachen wegen bandenmäßigen Betrugs und Kursmanipulation;
2010: vorzeitige Entlassung auf Bewährung…“
Man kann es aber mal anregen. Davon abgesehen, wird das der nächste Handwerker bei der Einstellung eines Bauhelfers sicher berücksichtigen. Wir werden sie pre-employment-mäßig enttarnen! Diese Wirtschaftskriminellen!
Das Problem liegt nicht im Anglizismus. Es liegt in dem Verdacht, dass erneut unter falscher Berufung auf das angelsächsische Recht ein „Label“ geschaffen werden soll, in das ein unseriöses anwaltliches Produkt verpackt wird.
Thomas Kania zeigt, das wollen wir gleich mal klarstellen, die Probleme dieses Produkts sehr gut auf. Aber Label ist Label und man hat das alles schon erlebt.
Die „due diligence“ ist fester Bestandteil anwaltlicher Produktpaletten. In ihren Ursprüngen ist sie aber eine Perversion des deutschen Rechts. Sie beruht auf dem Caveat Emptor-Prinzip. Das meint kurz gesagt nichts anderes, als dass man den Gaul schon genau ansehen muss, bevor man ihn kauft. Weil der Verkäufer nichts gewährleistet. Also braucht man 500 Seiten Vertrag und natürlich muss man den Laden, äh, Gaul, den man kauft, screenen, also: due diligencen. Oder so.
Nur: Dieser Grundsatz hat zwar in den USA Wurzeln geschlagen (http://en.wikipedia.org/wiki/Caveat_Emptor; gibt es lustigerweise mit gewissen Abweichungen auch auf Deutsch: http://de.wikipedia.org/wiki/Caveat_emptor). In Kontinentaleuropa gibt es aber eben das Prinzip der Gewährleistung. Eigentlich ist es hier im Kaufrecht sogar glatt umgekehrt: Wer zu genau hinsieht, verliert vielleicht die Gewährleistung, § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB. Weil er den Mangel kannte (zu viel due diligence, Sie verstehen). Weil man auf das Geschäftsmodell nicht verzichten wollte, ist die (Rechts-)Geschichte darüber hinweggetrampelt, ich verstehe, deshalb sehen heute deutsche Unternehmenskaufverträge genauso hirnrissig aus wie amerikanische (sorry: wenn man letztere natürlich durch eine deutsche Brille sieht, ehrlich…aber ich musste mal erfolglos erklären, dass eine GmbH nicht „…100.000 shares of 1 Dollar each…“ haben kann und das traumatisiert halt).
Ein anderes Label mit etwas holprigerem Schicksal ist der Internal Investigator, der meist als Großkanzleianwalt auftritt und Schweinereien aufzudecken hat (Compliance, Sie verstehen?). Der ist schon gehörig mit dem Gesetz zusammengerasselt (so 2010 in Hamburg, da haben mal ein paar Richter am Landgericht aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht). Sherlock Holmes im Gieves & Hawkes-Anzug sozusagen (nichts gegen Gieves & Hawkes). Das kann schon komische Züge annehmen. Aber die Rechnungen sind saftig, beim Internal Investigator leider auch das Schicksal der von Verrat und Strafverfolgung heimgesuchten Mitarbeiter, die sich den Investigators anvertraut hatten. Geschäft geht über alles. Von den arbeitsrechtlich bedenklichen Folgen des Management by Objectives, u.a. im Bankenbereich, wollen wir an dieser Stelle schweigen.
Also, lassen Sie lieber die Finger von Pre-Employment-Dingsda. Lügner, Betrüger und Gauner müssen Sie weder beschäftigen noch weiterbeschäftigen. Wenn Sie jemanden, den Sie nicht kennen, in den ersten 6 Monaten mit allen Unternehmensgeheimnissen füttern und auf schriftliche Vereinbarungen zu deren Schutz verzichten – kann man ihnen auch nicht helfen. Essen Sie stattdessen hier einen Yorkshire Pudding, wenn Sie nicht Liz Collets Suppen vorziehen, er steht nicht in Gefahr, als juristisches Label wiederzukehren.
Ich mache jetzt mal das Closing. Bevor wir uns missverstehen: Ich lasse offen, welches.
P.S.: Es ist nicht so, dass etwas existiert, nur weil es in der Wikipedia einen Eintrag dazu gibt. Sie könnten ihn selbst erstellt haben.
Literatur:
Kania/Sansone, Möglichkeiten und Grenzen des Pre-Employment-Screenings, in: NZA 2012, Heft 7, S. 360-364
Thum/Sczesny, Background Checks im Einstellungsverfahren: Zulässigkeit und Risiken für Arbeitgeber, Betriebsberater 2007, S. 2405-2409