Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
13.02.2013

Hirn. Hirn? Hirn! Die 30-Stunden-Woche

Arm an Initiativen ist das Lend nicht. Dazu gehört auch die „ Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“. Ihrem Namen kann man zugute halten, dass es Anlässe für Änderungen in der Wirtschaftspolitk ausreichend gibt (und sie auch nie ausgehen werden). Erfreulich nüchtern klingt das also und gar nicht nach Systemwechsel. Knallhart auf Wechsel ist aber die Agenda. So täuscht die Verpackung manchmal über den Inhalt hinweg.

Die Arbeitsgruppe arbeitet aber fleißig. Wie beim arbeitsrechtlichen Phänomen des Low Performers (hier sehr schön Im Blog von Jens Ferner) ist aber das Arbeitsergebnis dürftig. Gemeint ist der hier (über die Seite der Arbeitsgruppe) verlinkte

Offene Brief

Er hat in den vergangenen Tagen Hohn und Spott (Zusammenfassung bei SPON), ernstliche Ablehnung (FAZ) und allenfalls laue Unterstützung (Scharf Links, meine Freunde…) erfahren. offene Briefe sind übrigens meist solche, die keiner haben will und deren Inhalt so schlapp ist, dass das Postgeheimnis eine reine Verschwendung wäre.

Nur: Was soll das?

„Wir müssen das Wirtschaftsgut Arbeit verknappen“.

Es ist zum Heulen. Meine Generation sollte schon in den 80ern durch die – damals – 35-Stunden-Woche vor Massenarbeitslosigkeit bewahrt werden. Ja, das ist gar nicht so dumm, wenn man planerisch denkt. Da gibt es aber noch einen zweiten Teil. Der ist Element der 30-Stunden-Proklamation, wie er es auch in den 80erm bei der 35-Stunden-Woche war. Er heißt:

„Bei vollem Lohnausgleich“.

Weniger arbeiten, gleiches Geld.

Nein, ich will jetzt nicht wohlfeil fragen, wer das eigentlich bezahlen soll. Aber die absurde Vorstellung, dass es eine feststehende „Menge“ Arbeit gäbe, die man beliebig verteilen und umverteilen („um-fair-teilen“, heißt das bei der Arbeitsgruppe übrigens, sehr schön, nicht wahr?) könne, ist nicht nur der Untergang des Sozialismus gewesen, sondern man muss geradezu ein Brett vor dem Kopf haben, wenn man an so etwas glaubt. Diese feststehende Planungsgröße gibt es nur in den Köpfen von Planern, und die hatten die Fenster bereits – glücklicherweise – verbarrikadiert, als ich 1990 in Moskau am Gebäude der Государственный комитет по планированию vorbeiging – kurz „Gosplan SSSR“. Man sah durch diese Fenster also – nichts, und genauso wenig ist an solchen Ideen dran. Zumal die nicht einmal neu sind. Kostprobe der Systemkritik:

„…Richtig ist dagegen: In Deutschland sind gegenwärtig, wenn wir nur die nicht freiwilligen Teilzeitbeschäftigten und geringfügig Beschäftigten mitrechnen, circa 6 Millionen Menschen arbeitslos oder unterbeschäftigt…“[meine Hervorhebung]

Das mag irgendwie sogar stimmen. Keine Statistik ist „richtig“, auch die zur Arbeitslosigkeit nicht. Sie enthält z.B. keine Menschen in Qualifizierungsmaßnahmen, obwohl die auch keine Arbeit haben, streng genommen. Muss man aber auch alle Azubis dann als “arbeitslos” zählen? Doch wohl kaum…

Ob man aber – ich bitte um Verzeihung – einerseits „Unterbeschäftigung“ beklagen und gleichzeitig auf 30 Stunden/Woche verkürzen sollte, ist eine andere Frage. Vor allem aber: In der Logik unserer Verteiler heißt das ja: Der „Kuchen“ der vermeintlich konstanten und unveränderlichen Arbeitsmenge (autsch) ist in den letzten Jahren ungerecht (autsch autsch) verteilt worden. Komisch: Heute haben mehr Menschen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als jemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Ist der Kuchen etwa doch größer geworden? Übrigens: Der „Kuchen“ ist ein besonders zynisches Konstrukt gegen Einwanderung. „Ausländer nehmen den Deutschen die Arbeitsplätze weg“ ist aber wohl kaum eine Parole, die Katja Kipping, die auch unterschrieben hat, gerne unterzeichnen würde. Die Kuchentheorie würde das aber, wenn sie wahr wäre, zwingend zur Folge haben. Gottseidank ist sie geistiger Bodennebel.

Anders als die Forderung nach einem Mindestlohn geht es bei alledem auch nicht mehr um Rahmenbedingungen, sondern eben um einen Systemwechsel, wobei besonders traurig ist, dass diese Fantasten bis heute nicht verstehen, dass es eigentlich kein kapitalistisches Wirtschaftssystem gibt. Das hat Karl Marx – eigentlich eher seine selbsternannten Nachfolger – als Gegenbild zum Sozialismus erfunden. Aber das führt hier sicher zu weit.

Erstaunlich an diesem Staubfänger ist die Zahl an Titeln, die den offenen Brief unterzeichnet hat. Ich meine so Titel wie „Prof.“ und „Prof. Dr.“. In letzter Zeit wird darauf ja nicht mehr so viel gegeben, aber es bereitet diebische Freude, dass – wo Argumente fehlen – sich auch und gerade diejenigen, die gleichmacherisch auftreten, hinter der per-se-Kompetenz solcher Bezeichnungen verschanzen (deshalb hat auch Scharf Links alle Titel brav aufgeführt). Immerhin sind bei den Unterzeichnern so interessante Leute wie (Prof. Dr.) Franz Segbers dabei, der altkatholischer Theologe ist. Das verleiht natürlich einer falschen „Idee“ keine zusätzliche Kompetenz, bringt aber immerhin Erkenntnisse über das erste Vatikanische Konzil.

Was bleibt von diesem Freudentanz der 80er-Jahre-Nostalgiker, die noch ein paar offene Rechnungen mit dem Kapitalismus haben, während sie ihre öffentliche-rechtliche Pension zehren? Nichts als heiße Luft. Es gibt so viel, um das man sich kümmern darf: Steuergerechtigkeit, Mindestlohn, Familienförderung…da braucht man keine Thesen von vorgestern. Mindestlohn verknappt Arbeit nicht. Es verteuert sie. In Maßen kann das eine gute Idee sein.