Keine Gnade für Arbeitszeitbetrüger! Finden wir hier auch.
Diesmal hat es (nach dem Motto, der Hehler sei schlimmer als der Stehler) den Vorgesetzten erwischt. Der hat seinen Mitarbeitern unterschrieben, sie hätten einen vollen Arbeitstag abgeleistet, obwohl er sie drei Stunden zu früh nach Hause geschickt hatte. Das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.05.2013 – 10 Sa 6/13) hat die Kündigung des für eine US-Luftwaffenbasis arbeitenden Technikers bestätigt. Jetzt wird es durch die Presse gewirbelt.
So weit, so schlecht. Der miese Kerl bekommt, was er verdient hat. Liest man die Meldungen aber mehrfach, stutzt man, und das verbessert sich bei Lektüre des Urteils nur mäßig.
Denn es war ein Blitz eingeschlagen. Ein echter, keiner im übertragenden Sinne. In die Radaranlage, die dann keinen Strom mehr hatte. Die Radaranlage, die der Kläger und sein Team für die US Air Force auf ihrer Luftwaffenbasis (wohl in Ramstein) betreiben.
Das – Blitzeinschläge, Betriebsstillstand – gibt es also nicht nur im Lehrbuch. In Folge des Einschlags konnte bis Schichtende nicht gearbeitet werden (teilweise bestreitet das die Beklagte).
Das ist die Prüfungsaufgabe für Jurastudenten schlechterdings: Schon mal von der Betriebsrisikolehre gehört? Das Betriebsrisiko hat der Arbeitgeber. Schlägt der Blitz ein, muss er die Stunden bezahlen, in denen nicht gearbeitet werden kann. Die Mitarbeiter haben also nicht betrogen, sondern sind von ihrem Vorgesetzten als (temporär) nutzlos erkannt und nach Hause geschickt worden. Das ist kein (Arbeitszeit-)Betrug. Trotzdem fristlos?
Das LAG bemerkt trocken:
Es entlastet den Kläger nicht, dass die Techniker für die wegen des Stromausfalls nicht geleistete Arbeit u.U. Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs beanspruchen können, weil die Beklagte das Betriebsrisiko iSv. § 615 Satz 3 BGB zu tragen hat. Der Kläger hat durch die falsche Dokumentation der Arbeitsstunden verhindert, dass die Beklagte in Kenntnis der tatsächlichen Umstände die Anspruchsvoraussetzungen prüft.
Jetzt muss man ehrlich sein: Irgendetwas schwingt in der Berufungsentscheidung mit, das vermuten lässt, die Geschichte mit dem Stromausfall sei nicht wasserdicht. Aber explizit geht man darauf nicht ein. Dass der Arbeitgeber nicht die Anspruchsvoraussetzungen prüfen kann, ist schlimm (alle Arbeitgeber sind ja Hobbyjuristen), nur bei einem Stromausfall wäre das Ergebnis einer solchen Prüfung ja eindeutig. Und ob der Vorgesetzte es einfach als seine Aufgabe angesehen hat, so etwas in seinem Augen eindeutiges selbst zu entscheiden, findet so gar keinen Niederschlag.
Also: Das Urteil basiert darauf, dass jemand sich ungeschickt ausgedrückt hat (er hätte „Stromausfall“ schreiben sollen, statt die volle Arbeitsbescheinigung gegenzuzeichnen), nicht auf einem Arbeitszeitbetrug, wie überall zu lesen ist.
Das ist ein hartes, sehr hartes Urteil.
Soviel Härte bei echten Betrügern wünscht man sich von Arbeitsgerichten (aber bekommt sie nicht immer). Hier bleibt jemand auf der Strecke, der in wenigen Tagen Luftangriffe auf Damaskus koordinieren könnte. Die Sache ist durch, Revision nicht zugelassen. Vielleicht trifft es den Kläger nicht ganz so hart, denn im Tatbestand steht ja, er sei US-Amerikaner. Warum das wichtig ist, macht das LAG nicht klar, aber die sind an leichtere Kündigungen ja gewöhnt. Möchte man meinen. Ich habe meine Zweifel.