Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
13.06.2013

Fristlose Kündigung am Flughafen: Schwarz-Flug am BER?

In grauer Vorzeit – 2012 – trat der Aufsichtsratsvorsitzende der Flughafengesellschaft zurück. Weil es Klaus Wowereit war, gab es bekanntlich einen Rücktritt à la carte: Der Chef bleibt im Amt, er gibt nur den Titel ab; sein Stellvertreter nimmt den Titel. Über Rainer Schwarz, einen der Geschäftsführer der GmbH, wusste man nur, dass er im Januar „freigestellt“ wurde und es im Übrigen den Versuch gäbe, ihm Schadenersatzforderungen aufzudrücken.

Jetzt bekommt er die fristlose Kündigung.

So eine Kündigung beruht auch bei Geschäftsführern auf § 626 BGB. Demzufolge braucht man zuerst einen „wichtigen Grund“. Das alleine reicht aber nicht. Abs. 2 der Vorschrift lautet:

Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

Wie problematisch das sein kann, spiegelt sich in einem Beitrag der „Berliner Zeitung“ vom 12.06.2013. Dort heißt es zunächst:

Schwarz werde fristlos entlassen, sagte der Vorsitzende [des Aufsichtsrats, Anm. d. Verf.] Matthias Platzeck. Die dafür rechtlich notwendigen „wichtigen Gründe“ ergäben sich aus dem Gutachten einer Anwaltskanzlei.

Na, wenn die Anwälte das sagen, sicher für sehr viel Geld und nach fünf sechs sieben Monaten eifriger Recherche.

Einen Satz später:

Nach Ansicht von Juristen ist die Kündigung von Schwarz jedoch problematisch: Sie muss laut Gesetz „innerhalb von zwei Wochen erfolgen“, nachdem der Arbeitgeber von den maßgeblichen Tatsachen erfahren hat. Die Vorwürfe gegen den Ex-Chef stehen aber schon lange im Raum.

Trocken. Sind Anwälte etwa keine Juristen? Die Anwälte sagen, es geht, die Juristen, es geht nicht? Wo leben wir denn?

Nun, lassen Sie es sich gesagt sein: Kündigungsgründe ergeben sich nie aus dem Gutachten von Anwaltskanzleien. Sie sind nämlich Tatsachen. Also etwas, das man weiß oder auch nicht. Das Gutachten bewertet, ob das Wissen für eine Kündigung reicht. Der „Kündigungsberechtigte“, auf dessen Erkenntnisse es hier ankommt, ist bei einer GmbH (wie dem Flughafen) die Gesellschafterversammlung, offenbar ist das Recht hier aber (wie bei einer Aktiengesellschaft) auf den Aufsichtsrat übertragen worden. Es kommt also auf Wowereit, Platzeck und Co. an. Da ist die Frage berechtigt, was hat der Aufsichtsrat nicht wusste, das jeder Zeitungsleser wusste (wobei offen ist, ob das ein Anlass für eine außerordentliche Kündigung wäre…). Übrigens haben sogar wir über das Szenario bereits vergangenen November berichtet. Und bevor jetzt das bayerische Justizministerium mir die Polizei schickt oder die NSA sich mit mir befasst: Ich habe da keine geheimen Quellen. Klar?

Denn die Rechtsprechung nimmt keine Rücksicht auf Denkpausen. Wenn ich einen Kündigungsgrund kenne, ihn aber als nicht so wichtig einschätze, läuft die Zweiwochenfrist trotzdem. Geht mir erst durch ein Gutachten ein Licht auf, ist es zu spät. Das ist Pech. Die Spielräume, den Fristablauf durch eigene Ermittlungen zu hemmen, sind extrem eng. In einer vergleichbaren Situation ist es aus Sicht der Gesellschaft gerade im Mai erst in München schiefgegangen (OLG München, Urteil vom 13.05.2013 – 7 U 3261/12 noch nicht frei veröff.). Wenig ermutigend für Arbeitgeber, die erst auf die Revision und das Gutachten warten, ist auch BAG, Urteil vom 28.04.1994 – 2 AZR 730/93.

Herr Schwarz wird also eventuell einen Schauprozess führen müssen, bei dem man versucht, seine Gehaltsansprüche irgendwie gegen vermeintliche Schäden ab- und aufzurechnen. Oder nach dem Motto vorgeht, der Fließbandarbeiter übersteht den längsten Prozess (weil ihm das Arbeitslosengeld reicht), der Geschäftsführer geht bald in die Knie (Hauskredit, Sohn in Kalifornien auf der Uni…). Am Ende steht ein Kompromiss, weil der Prozess für den Arbeitgeber sonst peinlich wird. Woher ich das weiß? Ach – erstens habe ich genug solcher Prozesse geführt. Zweitens hatten wir das in Berlin schon mal – erinnern Sie sich an die Bankgesellschaft? Da musste sich eine ganze Riege hochbezahlter Rechtsanwälte einer hier ungenannten Großkanzlei (Tokio, Rom, Alma Ata, New York, London, Timbuktu…Sie wissen, das Übliche) wie die Anfänger von einer Richterin am Landgericht belehren lassen, dass man Schäden belegen muss und nicht einfach behaupten darf. Komisch nur: Die hatten es darauf angelegt…am Ende waren alle mit diesem Ergebnis erstaunlich zufrieden…

Es gibt aber zwischenzeitlich Verwendungsvorschläge für den Flughafen: