In Europa ist ja alles sagbar geworden. Gestern noch Freunde, heute Gegner von Haushaltsdefiziten wegen. Faulheit und Arbeitsverweigerung (wie sie der Chef der Fahrzeugtechnik Dessau nach einer sicher subjektiven IG Metall-Mitteilung bei seinen Mitarbeitern vermutet): Sind das nicht typisch französische Eigenschaften?
Sagt wer?
Die Franzosen. Haben wir bei der Wochenendlektüre entdeckt. Also:
Frankreich sonnt sich genüsslich in Themen wie Faulheit und Arbeitsbummelei. Schon vor 6 Jahren hat Corinne Meier mit ihrem Buch „Bonjour Paresse“ (deutsch: „Die Entdeckung der Faulheit“) beschrieben, wie man in einem Großunternehmen nichts tut und trotzdem angesehen ist. Das Buch hat es zu einer deutschen Übersetzung gebracht, aber nicht zu einer englischen. Was sagt uns das?
Beunruhigender noch ist, dass sie keine französische Hera Lind, sondern eine elitär ausgebildete Wirtschaftswissenschaftlerin ist. In Frankreich hält man sich mit Selbstkritik nicht zurück, was sogar Schumpeter, dem Pseudonym des Kolumnisten im Economist, Achtung abringt. Versessen auf eine Lösung ist man nach Meinung Schumpeters übrigens nicht. Vielleicht verstehen wir aber den Franzosen aufgrund kultureller Nähe da einfach besser als der harte Brite. Denn was lesen wir da, das Schumpeter so entsetzt hat?
“…At a big French bank recently, a manager promoted an executive, only to be reproached by a furious rival who said he should have been given the job because he had done better in the final exams at the same grande école…”
Ja. Noch nie was von Konkurrentenklage gehört? Wir (in Deutschland) kennen das aber. Und was ist schon schlecht daran? Es ist schließlich eine „Bestenauslese“ (mit dem Wort hat auch hier scheinbar niemand ein Problem).
Was hilft es in der Praxis? Nun, zurück nach Dessau: Vielleicht ist auch in Deutschland und Frankreich nicht alles nur Bummelei, was danach aussieht. Die Geschäftsleitung hatte – sagt die IGM – neue Verträge verlangt, bei denen Mitarbeiter angeblich 50% ihres Gehalts einer Schadenshaftung unterwerfen sollten (hätte man auch unterschreiben können, wäre ohnehin unwirksam gewesen…). Falls mal was kaputt geht, im Waggonwerk.
Wir wissen natürlich nicht, ob vorgeblich faule Franzosen ähnlich intensiv zur Arbeitsverweigerung angehalten werden. Ein Tipp zur Lösung könnte aber sein: Wenn der Chef dieses angelsächsische Gehabe einstellt und in frankogermanischer Kulturtradition alle zum schriftlichen Test lädt, kann er dann ja verkünden, nur die besten 50% der Teilnehmer würden ihre Arbeit behalten. Weitere kulturelle Unterschiede zeigen sich erst danach. Die anderen 50% würden vermutlich im Vereinigten Königreich tatsächlich fliegen. In Frankreich nur mit Zustimmung der Gewerkschaft (nie im Leben), in Deutschland nur mit der des Arbeitsgerichts (das sie auch verweigern wird). Nebenbei: Manchmal, wie in einem Fall in Marburg, werden in Deutschland allerdings auch Lkw-Fahrer der Faulheit bezichtigt, weil sie nicht nach Frankreich fahren wollen. Das zeigt aber tiefere anthropologische Zerwürfnisse auf, als sie hier diskutiert werden können.
Nächste Woche bei Schumpeter würde man also schlussfolgern müssen: Die Deutschen sind ebenso faul wie die Franzosen, aber auf eine andere Art. Allerdings bezweifle ich, dass Schumpeter diesen Blog liest: Er hat ja einen eigenen…