Auf Parteiebene robbt sich die FDP wieder an die Relevanz heran. Vor dem Arbeitsgericht Erfurt (das gibt es; es liegt in Sichtweite des Bundesarbeitsgerichts) gab es erst einmal eine Niederlage. Die FDP dort ist bei der Kündigung eines Referenten möglicherweise einem Irrtum aufgesessen, den auch viele Mittelständler begehen. Man könnte sich ganz unverschämt wünschen, dass die FDP ihre Position vielleicht doch noch für ein, zwei kleine Korrekturen im Arbeitsrecht nutzt.
Abstrakt – der konkrete Fall, den die OTZ berichtet, ist zu voll mit individuellen Fragen – kann man sagen: Sie waren mit dem Kläger nicht zufrieden, fanden ihn aber auch nicht abgründig. Deshalb hat man seine Probezeit verlängert. Nachdem er weiter nicht glänzte, kündigte man.
Zu Unrecht, gab das Arbeitsgericht bekannt.
Aber das ist keine fies-kapitalistische Ausgeburt der Hölle, was die FDP da gemacht hat. Sie ist an einem komplexen arbeitsrechtlichen Problem gescheitert. Es heißt „Probezeitverlängerung“.
Die Frage danach gibt es im Monat hier ein halbes Dutzend Male:
„Kann ich die Probezeit von X oder Y nicht verlängern? Ich bin mir bei ihm nicht sicher…“
Die Antwort lautet
„Ja, aber es bringt nichts“
Das ist ungerecht, aber eben so. Warum?
Meist vereinbart man eine Probezeit im Vertrag. Die Tradition will es, dass es meistens 6 Monate sind. Wenn man nicht zufrieden ist, aber es weiter versuchen will, kann man dann nicht verlängern?
Die Frage wäre erst einmal, was man mit “Probezeit” meint. Juristen sind Begriffsspießer, schon klar. Aber hier ist es wichtig. Sie finden den Begriff Probezeit für das Arbeitsverhältnis nur an einer einzigen Stelle im Gesetz: § 622 BGB Abs. 3 BGB sagt:
(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.
Das ist nur eine Fristenregelung. Über die Berechtigung oder Wirksamkeit einer Kündigung sagt sie nichts aus. Das wiederum regelt das KSchG. Es ist das Bollwerk des Arbeitnehmers gegen Kündigungen, weil es einen sehr hohen Begründungszwang schafft. Außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes ist man wesentlich freier, zu kündigen. Und dieses Gesetz, ja, das ist nach § 1 Abs. 1 KSchG erst anwendbar, wenn das Arbeitsverhältnis 6 Monate bestanden hat. Das ist mehr oder weniger großer Zufall.
Das bedeutet auch: Man kann innerhalb der ersten 6 Monate immer kündigen, ohne einen besonderen Grund zu haben. Danach nie. Jedenfalls nicht, wenn das KSchG anwendbar ist (es verlangt außerdem mindestens eine Betriebsgröße von mehr als 10 Arbeitnehmer; wobei es auch halbe Arbeitnehmer kennt…). Ob man das „Probezeit“ schimpft oder nicht, hat nur Auswirkungen auf die einzuhaltende Frist: Bei vereinbarter Probezeit 2, sonst vier Wochen.
Trotzdem gibt es Verlängerungen der Probezeit. Sie werden nur nicht anerkannt. Als Beleg dient meist ein Urteil des BAG aus dem Jahr 1984 (15.08.1984 – 7 AZR 228/82), dass zu diesem merkwürdigen, aber gesetzlich zwingenden Ergebnis kommt: Probezeit verlängert, Kündigung trotzdem nicht möglich. Also: Finger weg. Trotzdem tappen viele in die Falle. So auch die FDP offenbar – in Erfurt.
Übrigens: Es gibt eine Befristung zur Erprobung. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG sieht das vor. Aber auch da gilt: Länger als 6 Monate wird es vielleicht für Orchestermusiker geben, aber nicht für Normalarbeitnehmer. Allerdings hat das Befristungsrecht einen Trick: Bis zu zwei Jahre § 14 Abs. 2 TzBfG kann man ja ohne jeden Grund befristen. Wer sich dann noch nicht sicher ist, sollte wirklich kündigen…