Der erste Termin des Jahres ist eigentlich nichts Besonderes, ergibt er sich doch aus den Zufällen der Terminkalender bei Gericht. Und doch: Irgendwie neigt man zu Rückschlüssen auf das Kriegsglück im neuen Jahr (das ist der verbalen Übertreibung der amerikanischen Kollegen - ‘litigation is war’ entlehnt).
Noch feiertagstrüb trabe ich also Dienstag zum Arbeitsgericht, um genau diesen ersten Termin wahrzunehmen, lang erwartet, mit wenig Hoffnung im Herzen (Befristung unwirksam, weil ein tarifvertragliches Erfordernis fehlte, aber der Gegenanwalt hat das noch nicht herausgefunden - das Gericht wird es wohl kaum übersehen). Dann vor Saal 2xx des Arbeitsgerichts Berlin: Großes Aufgebot - wieder einmal. Es drängeln sich die Reporter und die Fernsehkameras. Was an meinem Fall habe ich verpasst? Das Herz rutscht in die Hose, ein Blick auf die Uhr: Es ist wirklich unsere Terminstunde, laut Auslage im Anwaltszimmer müsste der Vortermin eine Stunde her sein. Die Sache steht ja eh’ nicht gut, auch der Personalleiter schaut irritiert zur Pressemeute und fragend zu mir.
Der Minus-Ossi-Geschädigte (ich) zuckt noch einmal kurz zusammen, es geht doch wirklich nur um einen Befristungsfall. Erleichterung folgt auf dem Fuße: Das Interesse gilt dem Vorgängertermin, der nur massiv im Verzug ist - die Parteien verhandeln gerade an verschiedenen Ecken des Ganges über Vergleiche.
Adrenalin-Antiklimax.
Der Anlass des Medieninteresses hängt mit den Berliner DRK-Kliniken zusammen, denen im Sommer öffentlichkeitswirksam Abrechnungsbetrug unterstellt wurde.
Nach den Dursuchungen nun die arbeitsrechtlichen Spätfolgen: Ein Oberarzt wurde gekündigt (fristlos, klar) und hat geklagt. Am Dienstag war Kammertermin. Das Ende vom Lied: Vergleich.
Der Vorwurf bestand in einem Verdacht. Ganz leicht kann man den bekanntlich nie belegen, und im Gestrüpp kassenärztlicher Abrechnungen ist das vielleicht noch einmal eine Nummer schwerer. Bedenkt man, dass nach der Presse meist ein Assistenzarzt Untersuchungen durchgeführt haben soll, für die er gar nicht liquidationsfähig war, klingt der Verdacht - von außen betrachtet - gegen den Oberarzt irgendwie schal. Ob er beteiligt war oder nicht, kann doch nicht nur im Stadium des Verdachts verharren - das wird doch feststellbar sein (hat er das Röntgengerät nun bedient oder nicht?). Andererseits: Auf den schweißnassen Beklagtenbänken sitzend - als Termin dazwischen gequetscht - mussten wir zumindest anerkennen, dass viel Papier produziert worden war. Neben mir lagen mindestens drei aufquellende Leitzordner, prall gefüllt - mit Verdacht, nehme ich an. Ja, beim Arbeitsgericht sind wir pragmatisch, da werden Prozesse schon mal übereinander verhandelt und wichtige Unterlagen liegen vor den Augen fremder Anwälte. Aber alle halten sich an die Spielregeln und ignorieren diese Betriebs- und Anwaltsgeheimnisse verlässlich - schön, nicht? Wenigstens Anwälte sind ehrliche Häute - untereinander.
Arbeitgeberanwalt dagegen ist auch zu Jahresanfang ein hartes Brot, nicht nur für die Anwälte der DRK-Kliniken. Sondern auch für mich armes Würstchen, weil ich ebenfalls unter dem Schmunzeln der sich langweilenden Presseleute abgebürstet wurde. Zu Recht. Leider.
Trotzdem ein guter Start? Wir meinen: Ja. Der Kollege auf der Gegenseite: Kein Krawallanwalt. Sein Mandant: Versteht, was gesagt wird. Beides ungewöhnlich. Und dann noch: Einen gesichtswahrenden Vergleich. Der beruht nach der Einführung der Vorsitzenden einfach nur auf Fairness der Gegenseite. Dass es das noch gibt. Bestnoten für anwaltliches Verhalten! Ein guter Auftakt 2011.