Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
24.07.2012

Druck im Kindergarten – ein Fall für Columbo

Straubenhardt kennen nicht viele Leute. Es liegt in der Umgebung von Pforzheim, Mühlacker und Maulbronn. Wer Maulbronn nicht kennt, weiß weder, wo Johannes Kepler noch Herrmann Hesse zur Schule gegangen sind. Er weiß auch nicht, wo ich geboren bin (was wegen des Klosters Maulbronn schade ist).

Wir wollen nach Straubenhardt schauen:

Dort gibt es einen vorbildlichen Kindergarten, in dem sich Dramatisches ereignet: 30 Mitarbeiter arbeiten dort unter einer Chefin. 17 davon haben brieflich mitteilen lassen, dass sie ihre Stelle kündigen, wenn die Chefin weiter am Kindergarten bleibt. Daraufhin hat die Gemeinde Straubenhardt die Beine in die Hand genommen und die Chefin rausgeworfen. Sie begründet das damit, dass es keine Erzieherinnen mehr am Markt gäbe. Würden die 17 also ihre Drohung wahrmachen, könnte man den Kindergarten schließen. Die eine, die ließe sich verschmerzen.

Die eine, die klagt jetzt. Beim Arbeitsgericht in Pforzheim.

Der Bericht der Mühlacker-News (gibt es tatsächlich) über die gescheiterte Güteverhandlung ist amüsant, nicht nur, weil der Richter alle potentiellen Zeugen aus dem Saal geworfen hat. Das darf er, habe ich immer gepredigt, nicht. Er schließt damit die Öffentlichkeit aus, was im Zweifel sogar ein Urteil verfassungswidrig machen kann. Die Beschränkungen der Öffentlichkeit sind abschließend in §§ 169 ff GVG geregelt. Dennoch werden potenzielle Zeugen immer wieder rausgeworfen. Das hat eigentlich einen guten Grund: Der Anwalt, der diese Zeugen aufrufen will, sollte den Damen und Herren von vorn herein sagen, sie möchten bitte nicht an der Verhandlung teilnehmen. Denn einen Zeugen, der alles mit angesehen und gehört hat, was im Gerichtssaal gelaufen ist, dessen Aussage wird man eventuelle kritischer beurteilen – das Beweisergebnis wird beeinflusst. Aber Rauswurf: Ist nicht. Für die Güteverhandlung darf man sich allerdings streiten, ob das eine „richtige“ mündliche Verhandlung ist. Dennoch: Eine richterliche Unart.

Nein, hier geht es um die Druckkündigung. Das ist ein Lehrbuchgespenst wie der unerkannt Geisteskranke und das leere Einschreiben: Man kennt sie aus dem Lehrbuch, in der Realität sind sie ein flüchtiges Reh.

Man versteht darunter einen Kündigungsgrund, der alleine darin besteht dass alle anderen in der Belegschaft einen Mitarbeiter nicht mehr wollen – oder vielleicht ein Kunde, der für das Unternehmen von großer Bedeutung ist. Der macht „Druck“, der Arbeitgeber kündigt. Darauf, was der Gekündigte verbrochen hat, kommt es nicht an.

Druckkündigungen hat man vor allem in den 70ern so oft versucht, dass in der Sammlung Arbeitsrechtliche Praxis (AP) dafür ein eigenes Stichwortfach eingerichtet wurde. Sie haben eines gemeinsam: Sie klappen eigentlich nie. So hat das BAG 1975 die übliche Technik verfolgt, die wir von einem anderen Phantom – der leistungsbedingten Kündigung („Low Performer“) kennen: Im Prinzip ja (Radio Eriwan), aber im konkreten Fall geht es eben nicht. Denn (18.09.1975 – 2 AZR 311/74), so heißt es, die Druckkündigung ist mindestens unwirksam, wenn der Arbeitgeber nicht versucht, die aufgebrachte Belegschaft zu beschwichtigen.

Das ist hier anscheinend nicht geschehen. Wobei man den Urteilen des BAG nicht entnehmen kann, wie genau die Beschwichtigung von Statten gehen soll….Schlecht für die Gemeinde, eigentlich. Aber die haben nach den Mühlacker-News einen Trumpf im Ärmel: Ihr Anwalt ist Peter Falk. Kein Zweifel, der dreht sich am Eingang zum Gerichtssaal um und hat noch einmal die alles entscheidende Frage. Glauben Sie nicht? Hier der Beweis aus den News:

Rechtsanwalt Peter Falk machte für die beklagte Kommune deutlich: „Die Gemeinde Straubenhardt hat die Kündigung ausgesprochen, weil sonst die Angst bestünde, den Kindergarten schließen zu müssen“.

Er war also da. Tatsächlich ist er 2011 demnach  gar nicht gestorben, sondern firmiert nur seither nicht mehr in L.A. unter „Inspector Columbo“, sondern unter „Rechtsanwalt Peter Falk“. In Pforzheim.

Es ist natürlich denkbar, wenn auch abwegig, dass es einen Kollegen gibt, der diesen Scherz schon einmal gehört hat und der ihn einfach nicht mehr hören kann….Tja. Ich hätte so gerne, dass Columbo ein Kollege von mir wäre. Wenn auch nur im fernen Südwesten.