Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
28.01.2012

Dirk Niebel und die Stellenbesetzung im öffentlichen Dienst

Die FDP hat mit Sicherheit derzeit genug Probleme (Chart 6 im Politbarometer). In dem kaum verhohlenen Anliegen, einfach auch mal was sagen zu wollen, hat Sascha Raabe (falls Sie ihn nicht kennen: Er zählt sich zur „Entwicklungshelferszene“ und ist SPD-Backbencher im Bundestag) Dirk Niebel, den Bundesminister für Entwicklung, jetzt auch noch angezeigt. Wegen „Untreue“ bei einem arbeitsrechtlichen Vorgang der Alltagsklasse – einer Stellenbesetzung.

Der Vorwurf: Herr Niebel habe eine Stelle für viel Geld ausgeschrieben, aber gar nie die Absicht gehabt, ein Stellenbesetzungsverfahren durchzuführen. Er habe die Stelle nämlich zuvor ohnehin der heutigen Inhaberin, Gabriela Büssemaker, versprochen. Alles nur eine Showveranstaltung also.

Lassen wir mal beiseite, dass es (nur vielleicht) ein bisschen arm ist, Wahlkampf und persönliche Fehden über den Staatsanwalt auszutragen. Kommt in den besten Vorgärten und Reihenhaussiedlungen vor. Lassen wir auch mal beiseite, wie man strafrechtlich denken müsste, um eine Stellenbesetzung zu kriminalisieren, die nicht den Ausschreibungsregeln entsprach. Herr Raabe wird es wissen, er hat zwei Jahre Jura studiert und da kommt man meist bis zum großen Strafrechtsschein.

Fragen wir uns lieber, was eigentlich falsch gelaufen sein sol. Da gibt es zwei Kontrastpunkte:

Auf der Sollseite steht, dass man Stellen im öffentlichen Dienst natürlich ordentlich besetzen muss. Das heißt, worüber wir uns hier oft und gerne lustig gemacht haben, aufgrund einer sprachlich unverständlichen Verschränkung in Artikel 33 Abs. 2 GG (oder was verstehen Sie unter einem „öffentlichen Amt“?), dass man nach der „Bestenauslese“ vorzugehen hat. Obwohl sich auch bei diesem Begriff jedem die Fußnägel aufstellen sollten.

„Bestenauslese“ heißt: Es muss ein sauberes Verfahren her. Bewerbungsgespräche, objektiver Vergleich von Personen und Qualifikationen, schriftlich dokumentierte Auswahlentscheidung für den besten Kandidaten. Das scheint – so die Anschuldigung – im Fall Büssemaker nicht stattgefunden zu haben. Und das kann eine Menge Geld kosten: Der unterlegene Bewerber, der eigentlich „besser“ war, kann die Stellenbesetzung per einstweiliger Verfügung stoppen. Er kann auch Schadensersatz bekommen, wenn die Stelle endgültig besetzt ist und er ausgebootet wurde. Da kommt viel zusammen.

Aber nur potenziell, und das ist die Habenseite. Was wirklich auffällt: Hätte es andere Bewerber gegeben, die tatsächlich „besser“ waren oder sich dafür hielten, dann – ja, dann gäbe es ja solche Konkurrentenklagen (oder es hätte sie gegeben), und dann gäbe es auch Schadensersatzklagen. Vor allem, wenn – wie angeblich hier – die Besetzung bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung feststand und eine einstweilige Verfügung nichts mehr gebracht hätte. Hätte. Denn anscheinend gibt es solche Verfahren nicht.

Das sagt uns nur eines: Jemand mit einer vernünftigen Qualifikation wollte den Posten nicht haben. Dann hat man halt die Frau Büssemaker genommen. Wäre sie die einzige Bewerberin gewesen, die in Frage kam, ist die Auswahlentscheidung dann rechtlich nicht zu beanstanden. Glauben Sie bloß nicht, abgelehnte Bewerber würden klein beigeben. Das Drama um den Berliner Polizeipräsidenten (den wir schon so lange nicht haben, dass man sich fragt, ob man einen braucht, oder ob seine Dauervertreterin das nicht auch alleine hinbekommt…) belegt das Gegenteil.

Ja, vielleicht lässt sich dieses eine Mal einfach kein politisches Kapital aus der Sache schlagen, auf Kosten der FDP, weil da einfach nichts ist – außer dem Hass des Herrn Raab und/oder die Ansichten, die der eine oder andere offenbar über Frau Büssemaker hat. Da mischen wir uns nicht ein.