Sie kommt im Arbeitsgerichtsverfahren häufiger vor als im ZPO-Verfahren und hat auch sonst ihre Spezialitäten. Wer eine Berufung bei einem Landesarbeitsgericht einlegt, muss – anders als ein Kollege im Zivilrecht – schlicht häufiger damit rechnen, dass sein Verfahren auch noch in die Revision geht. Und kann – wie im jetzt veröffentlichten Urteil des BAG vom 27.7.2011, 10 AZR 454/10 eine böse Überraschung erleben. Wie in vielen anderen Fällen zuvor hat das Landesarbeitsgericht eine Berufung durchgewinkt. Und vielleicht sogar dem Berufungsführer Recht gegeben. Dann, in Erfurt, heißt es auf einmal: Die Berufung wird als unzulässig verworfen. Es ist keine Besonderheit des Arbeitsgerichtsverfahrens: Das Revisionsgericht muss prüfen, ob die Berufung in der LAG-Instanz zulässig war. Und während das LAG oft großzügig oder gedankenlos ist, ist der Erfolg in der dritten Instanz dahin. Hier war die Berufung so schlampig, dass man nur beschränktes Mitleid hat:
„Die Identität der angegriffenen Entscheidung ließ sich auch nicht aus den sonstigen Angaben in der Berufungsschrift zweifelsfrei feststellen. Zwar ist im Berufungsschriftsatz für die Beklagte eine Düsseldorfer Adresse angegeben und für die Klägerin eine Adresse in Ratingen, das zum Zuständigkeitsbereich des Arbeitsgerichts Düsseldorf gehört. Dies genügt jedoch schon im Hinblick auf § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht, um hinreichend rechtssicher darauf schließen zu können, dass ein Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf angegriffen werden soll“
Nee, wohl nicht.
Dabei geht es in diesen Fällen regelmäßig nicht um Fristen oder Formalien, sondern (meist) um Inhalte. Ein besseres Beispiel dafür ist BAG, Urteil vom 18.5.2011, 4 AZR 552/09. Nicht wenige sind so gestrickt, dass offenbar im letzten Augenblick noch einmal in die eigene Klage geschaut und sinngemäß dann geltend gemacht wird, das Arbeitsgericht läge halt falsch denn es sei eben so – wie halt in der Klageschrift.
Das reicht aber nicht. Besser ist der Blick ins Urteil, denn die Berufungsschrift muss sich mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen, und zwar mit allen tragenden Begründungen (!) – gibt das ArbG zwei Alternativbegründungen, muss man sich also mit beiden auseinandersetzen. Die Anforderungen sind nicht riesig, aber mehr als die bloße Wiederholung der eigenen Meinung wird verlangt. Das BAG hat in frühen Jahren auch einmal entschieden, wegen des Beschleunigungsgrundsatzes seien die Anforderungen im ArbGG strenger als in der ZPO (etwas merkwürdige Ansicht vielleicht, weil die Verknüpfung zwischen Beschleunigung und Argumentation nicht sofort einleuchten will). Und klar ist auch: Die Berufungsgerichte sind weitaus großzügiger als das BAG. Das dicke Ende kommt also manchmal eben erst ganz am Schluss.