Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
10.05.2011

Der neue Frankfurter „Tatort“ im arbeitsrechtlichen Faktencheck

 

Der neue Tatort aus Frankfurt (Ausstrahlung am vergangenen Sonntag) hat viel Lob in der Fernsehkritik bekommen. Auch arbeitsrechtliches Lob ist angesagt:

Kommissarin zu einem Opfer:

Wir nehmen Sie ein paar Tage unter Polizeischutz“

Dann der entscheidende Zusatz:

Um Ihren Arbeitgeber kümmern wir uns auch.“

Was geschieht hier?

Die junge Dame ist ein paar Tage nicht bei der Arbeit. Mitgeteilt wird dem Arbeitgeber das von einer Polizistin. Es stellen sich dem Arbeitgeber drei Fragen, davon zwei ernsthafte:

  1. Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?
  2. Bekommt die ihr Geld weiter?
  3. Kann ich sie rauswerfen?

 

Bei Frage 2 gibt es eine gesetzliche Regelung, § 616 BGB:

…Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird…“

Das Polizeigewahrsam ist ein „in der Person liegender Grund“ im Sinne der Vorschrift. Klar ist deshalb, dass es erst einmal Geld weitergibt. Aber wie lange? Die Antwort ist zweideutig, birgt aber Überraschungen. Dörner etwa vertritt im Erfurter Kommentar (§ 616 BGB, Rd.-Nr. 4) die These, auch unschuldig erlittene Untersuchungshaft zähle dazu. Denkt man mal an Herrn Kachelmann, kann das für den Arbeitgeber teuer werden. Nehmen wir mal an, der war unschuldig in Untersuchungshaft (man weiß es ja noch nicht): Das wären rund 4 Monate Entgeltfortzahlung gewesen (das BAG hat sich 1967 um eine Entscheidung gedrückt, seither fiel so ein Fall nicht mehr an).

Womit das nächste Thema in § 616 BGB angeschnitten ist. Was ist eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit?

Dazu gibt es keine vernünftige Idee. Das BAG hat sich mal dahingehend geäußert, dass man diesen Begriff ins Verhältnis zur Dauer des Arbeitsvertrags setzen müsse: Wer schon 20 Jahre dabei ist, hat mehr Spielraum als jüngere Mitarbeiter. Das ist irrational. Andere meinen, 6 Wochen (wie im EFZG) seien der Maßstab. Warum, ist offen. Also: Es gibt eine Einzelfallentscheidung.

Beim Opfer aus dem Tatort-Krimi? Nun, ein „paar Tage“ dürfen es schon sein.

Ja, und Frage 3 – nachdem man „regelmäßig“ erst ab zwei Jahren Strafhaft rausfliegt, ist das wohl leicht zu beantworten…