Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
12.10.2013

Der kampfbereite Betriebsrat – und der Schutz gegen ihn

Ein kampfbereiter Betriebsrat füllte in Schwäbisch-Gmünd vergangenen Freitag eine ganze Stadthalle – weil über seine Amtsenthebung verhandelt wurde und mittlerweile überall in Deutschland solche Verfahren oft von Transparenten, Trillerpfeifen und „Unterstützern“ begleitet werden. Manches Mal kann man den Eindruck bekommen, derlei Streitigkeiten genössen mehr Aufmerksamkeit als das NSU-Verfahren (worüber die Münchener Richter wohl erfreut sein dürften). Das Ausmaß der Unterstützung in Schwaben ist beeindruckend:

…über 100 Unterstützer waren in den völlig überfüllten kleinen Gerichtssaal geströmt. Gestern hatten sich rund 70 Sympathisanten, teils in Pro-Büttner-T-Shirts, mit einem Stand bei Kaffee, belegten Wecken und einem Liedermacher vor der Stadthalle positioniert. Viele hatten wegen des Verhandlungsauftakts um 10.45 Uhr Urlaub genommen…

Derlei „Litigation-PR“ kann man für kontraproduktiv halten; jedenfalls brauchen die Richter gute Nerven, aber zweifelsfrei auch die Rechtsanwälte – vor allem natürlich die „Bösen“, das sind immer die, gegen die sich die Unterstützer richten (also die Arbeitgeberseite). Wer so etwas selbst mal erlebt hat, und ich gehöre durchaus dazu, der gruselt sich davor.

Dabei geht es um etwas ebenso sachlich Banales wie juristisch Spannendes – das Wellen bis zum BAG schlägt. Wie soll sich der Arbeitgeber gegen Betriebsräte schützen, die verbotenerweise Politik machen?

Weg 1 ist der schwäbische:

Der Kämpfer ist im Betriebsrat und hat per E-Mail zu einem Streik aufgerufen. Dabei hat er als „Betriebsratsvorsitzender“ unterzeichnet.

Na und, werden Sie hoffentlich nicht denken, warum denn nicht? Also ehrlich:

Obwohl jüngst der Geschäftsführer einer 100+-Mitarbeiter-Gesellschaft mir neulich (bei einem Prozess mit einer Reihe beteiligter Unternehmen) überzeugt erklärt hatte, Betriebsräte seien dasselbe wie Gewerkschaften (und sein Fachanwalt für Arbeitsrecht eifrig nickend meinte, die Anwendbarkeit des BetrVG hänge ja auch davon ab, ob man eine deutsche oder ausländische Rechtsform habe – da seine Mandantin eine Limited Liability Company sei, gälte die deutsche Betriebsverfassung auf deutschen Boden folglich nicht):

Das ist – alles – einfach nicht wahr. Wirklich. Ich meine, das mit den Betriebsräten und Gewerkschaften. Es gibt eine erzwungene Aufteilung der Funktionen. § 74 Abs. 2 BetrVG ist eindeutig: Der Betriebsrat ist politisch neutral, was auch Arbeitskämpfe erfasst – das ist Sache der Gewerkschaften:

Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind unzulässig; Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien werden hierdurch nicht berührt. Arbeitgeber und Betriebsrat haben Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden. Sie haben jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen;…

Unter den vielen Gründen dafür findet sich u.a., dass der Arbeitgeber den Betriebsrat und seine Arbeit alleine finanziert. Man darf ihn schließlich nicht zwingen, damit seinen tarifpolitischen Gegenspieler gleich mitzufinanzieren (das wären die Gewerkschaften), indem der Betriebsrat de betrieblichen Mittel – etwa den Mailaccount – für Gewerkschaftsarbeit nutzt.

Hat er hier aber. Anders als die Unterstützermannschaft suggeriert, wollte der Arbeitgeber ihn hier aber gar nicht kündigen, sondern nur aus dem Betriebsrat entfernen lassen. Diese Möglichkeit bietet das BetrVG ausdrücklich an – die meisten Personalvertretungsrechte übrigens nicht…das endete in Schwäbisch-Gmünd im Vergleich: Der Betriebstrat bleibt, darf aber künftig nicht mehr zu Streiks aufrufen – als Betriebsratsvorsitzender.

Effektiver auf den ersten Blick ist da der preußische Weg Nr. 2:

Danach ist ein Berliner Klinikbetrieb vorgegangen. Der hat einen Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat – wohlgemerkt, gegen den Vorsitzenden und seinen Vertreter, nicht gegen das Gremium – geltend gemacht – eben, weil diese genauso über den betrieblichen Mailaccount zum Streik aufriefen.

Dabei ist ein Unterschied fein, aber bedeutsam: Der Anspruch wurde eben nur gegen die Personen, nicht das Gremium anhängig gemacht.

Der Antrag ging glatt durch – zuletzt bei LAG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 31.01.2012 – 7 TaBV 1733/11). Klare Sache, weil der Betriebsrat sich ja – in Berlin wie in Schwäbisch-Gmünd – falsch verhalten hat. Sollte man denken.

Aber so einfach scheint das nicht zu sein. Das LAG Berlin-Brandenburg hatte die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen und das wird kommende Woche, am 15.10.2013, über die Sache verhandeln (1 ABR 31/12).

Denn die Frage, ob Arbeitgeber überhaupt Unterlassungsansprüche haben (Betriebsräte machen sie am laufenden Meter geltend), ist nicht einfach zu beantworten. Noch 2010 hatte das BAG einen Unterlassungsanspruch gegen das Gremium abgelehnt (Beschluss vom 17.3.2010 – 7 ABR 95/08).

Diese Entscheidung ist – völlig zu Recht – vielfach kritisiert worden und in ihren Dimensionen nicht ganz klar; sie wurde vom BAG u.a. damit begründet, dass man – wegen seiner Vermögenslosigkeit – gegen den Betriebsrat keine Ordnungsmittel vollstrecken kann. Das ist ein bisschen scheinheilig, denn der Betriebsrat ist ohnehin nur als Gremium – beschränkt – rechts- und parteifähig, eine Art beschnittener Rechtspersönlichkeit. Auch bei vollen Rechtspersönlichkeiten werden Ordnungsmittel an ihren Vertretern vollzogen, etwa an Geschäftsführern einer GmbH die Ordnungshaft. Aber gut.

Das LAG-Berlin-Brandenburg hat den Unterlassungsanspruch trotzdem zuerkannt, weil es meint, das einzelne Betriebsratsmitglied sei schließlich nicht vermögenslos und der Streikaufruf verletze eine persönliche Pflicht des Einzelnen. Das soll das BAG nun klären.

Ob Weg 2 wirklich besser ist, entscheidet sich daher kommende Woche.

Was den Autor verzweifeln lassen kann: Schon im Wettbewerbsrecht hat man seit Jahrzehnten festgestellt, dass die Unterlassung das effektivste Mittel ist, rechtswidriges Verhalten abzustellen; vor allem aber ist es das Mittel mit der niedrigsten Eingriffsschwelle. Wie Schwäbisch-Gmünd zeigt, sind die Alternativen viel drastischer: Statt eines Unterlassungstitels kassiert der Betriebsrat ggf. die Amtsenthebung, das BAG (siehe oben, Beschluss vom 17.3.2010 – 7 ABR 95/08) meint gar ernsthaft, dann solle der Arbeitgeber eben die Auflösung nach § 23 BetrVG beantragen – des ganzen Gremiums, wohlgemerkt. Oder einen zahnlosen und nicht vollstreckbaren Feststellungsantrag jahrelang durch die Instanzen treiben, wofür allenfalls die volle Amtszeit des Betriebsrats reicht; statt dem Arbeitgeber eine – mit einstweiliger Verfügung schnell durchzusetzende – Unterlassungsentscheidung zu erlauben, stellt man ihn zahnlos.

Man könnte es auch mit meiner Oma sagen: Das ist nicht in Ordnung.

Am Dienstag hat das BAG die Chance, sich voll in Szene zu setzen. Warten wir es ab!