Am Wochenende hat der eine oder andere die Liste der jüngst begründeten BAG-Entscheidungen abgegrast und stieß auf den schlagzeilenträchtigen Fall des Mannes, der im öffentlichen Dienst stand (allerdings nicht höher als etwa Straßenkehrer) und öffentlichkeitswirksam wegen Zuhälterei verurteilt wurde (Urteil vom 28.10.2010, 2 AZR 293/09).
Der “andere” hat mit der Überschrift “Nebentätigkeit als Zuhälter rechtfertigt verhaltensbedingte Kündigung” allerdings auch falsche Schlüsse gezogen. Allein die Nebentätigkeit war’s hier nicht. Saftig ist der Fall allemal:
“…Nach Erhebung der Anklage wegen Zuhälterei, vorsätzlicher Körperverletzung, erpresserischen Menschenraubs, Erpressung, schweren Menschenhandels und sexueller Nötigung hörte die beklagte Stadt den Kläger am 8. April 2008 zu diesen Vorwürfen an…[Dann verurteilte ihn das Landgericht] mit rechtskräftigem Urteil vom 21. April 2008…wegen gemeinschaftlicher Zuhälterei und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Diese Verurteilung basierte ua. auf der Feststellung, dass der Kläger „mit seinem Gehalt, das er bei der [Beklagten] erzielte, nicht zufrieden (war) und einen zusätzlichen Verdienst (benötigte), um seine Familie zu ernähren”, und deshalb zusammen mit einem weiteren Täter den Entschluss gefasst hatte, „im Wege der Zuhälterei Geld zu verdienen”. Dazu hatten die Täter im März 2007 eine 18 Jahre alte tschechische Staatsbürgerin mit deren Einverständnis in Chemnitz abgeholt und nach B gebracht. Die junge Frau ging sodann in Essen und Dortmund der Prostitution nach. Im Januar 2008 beschloss der Kläger, sie nach Tschechien zurückzubringen. Als sie sich weigerte, schlug er sie mit einem Gürtel gegen ihre Unterschenkel…”
Wer würde den Mann nicht feuern?
Aber wie nur? Früher einmal mussten sich Angestellte des öffentlichen Dienstes einem besonderen Verhaltenskodex unterordnen. Die Tarifreform und der Übergang BAT/TVöD hat damit Schluss gemacht. Diese bahnbrechende Gleichstellung ist aber nicht in diesem Urteil enthalten, sondern in einem solchen aus dem September 2009 (Urteil vom 10.9.2009, 2 AZR 257/08). Seither geht es auch im öffentlichen Dienst nur noch um die Feststellung, ob jemand seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten verletzt hat. Das mit den Hauptpflichten kann man hier mal vergessen. Die Rücksichtnahmepflicht des § 241 BGB wird hier zunehmend nutzbar gemacht. Wie aber bei zuhälternden Straßenbauarbeitern? Ganz einfach, schlagen Sie Rd.-Nr. 20 nach:
“…Der Kläger hat die Beklagte mit seiner Tat in Beziehung gebracht. Durch seine - auch in der Presse wiedergegebenen - Äußerungen im Strafverfahren hat er eine Verbindung zwischen seiner angeblich zu geringen Vergütung durch die Beklagte und seinem Tatmotiv hergestellt…”
So geht das. Unser Problem: Wenn er also nie gesagt hätte, er wäre unterbezahlt (bei der Stadt) - aber trotzdem gezuhältert hätte und die Dame geschlagen hätte - wäre dann nichts zu machen gewesen in Richtung Kündigung? Ja, so muss man das wohl verstehen.
Brr.