Wie an anderer Stelle berichtet, hatte bereits das Landesarbeitsgericht Köln im Juni 2010 dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die (aus der Not geborene) Praxis des deutschen öffentlichen Dienstes, teilweise irrwitzige Kettenverträge abzuschließen, mit europäischem Recht vereinbar ist.
In der Sache geht es um § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG. Er räumt der öffentlichen Hand ein Privileg ein: Mit dem Argument, Haushaltsmittel nur für eine bestimmte Zeit zur Verfügung zu stellen, können wirksam Arbeitsverträge befristet werden. Private können das nicht. Das Argument, man habe nur für eine überschaubare Zeit Geld und müsse neu budgetieren, wenn dieser Zeitraum vorbei sei, ist als Sachgrund einer Befristung nicht anerkannt.
Das BAG zieht in eine Beschluss vom Dienstag jetzt nach (Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 7 AZR 485/09 (A). In der Pressemitteilung ist vor allem von der Ungleichbehandlung die Rede, die damit zwischen privaten und öffentlichen Arbeitgebern geschaffen wird. Das ist ausgesprochen befremdlich. Die Gleichbehandlung ist Sache nationalen Rechts. Sie ist in Art. 3 GG als universeller Rechtsgrundsatz verankert. Dass die (Über-)Privilegierung der öffentlichen Hand, oder, je nach Sicht, die Rechtlosstellung öffentlicher Bediensteter gegenüber denen in der Privatwirtschaft gegen Artikel 3 GG verstoßen könnte, ist keine neue Idee. Ralph Hirdina hat das für eine ähnliche Problematik im WissZeitVG in einem Artikel von 2009 deutlich gesagt (”Befristung wissenschaftlicher Mitarbeiter verfassungs- und europarechtswidrig!”, NZA 2009, 712). Zugehört hat irgendwie niemand. Das Thema wird nicht gerne diskutiert.
Dem Bundesverfassungsgericht die Regelung vorzulegen, wäre also auf den ersten Blick logischer gewesen. Warum ist das nicht geschehen, obwohl die Pressemitteilung des BAG den Gleichheitssatz so herausstellt, der gar nicht europarechtlich relevant ist?
Man kann nur spekulieren. Möglicherweise ist die Pressemitteilung einfach unklar. Möglich ist aber auch, dass man sich bei EuGH einen sicheren Erfolg ausrechnet. Der Gleichheitssatz ist beim BVerfG kein verlässlicher Partner. Er würde auch nur zur Verfassungswidrigkeit des § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG führen, aber keine Vorgaben machen, wie eine Neuregelung aussehen könnte.
Das Europarecht verbietet aber etwas viel Interessanteres - nämlich den Kettenarbeitsvertrag. Das vertritt nicht nur die Wissenschaft (sehr klar: Wiebke Brose, “Die BAG-Rechtsprechung zu § TZBFG § 14 TZBFG § 14 Absatz I 2 Nr. 3 TzBfG - Ein Fall für den EuGH”, NZA 2009, 706). Es ergibt sich aus der “EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999″ praktisch unmittelbar, denn die Mitgliedsstaaten sollen Maßnahmen ergreifen, die sog. “Befristungsketten” einschränken. Bedenkt man, dass die Kölner Entscheidung eine Justizmitarbeiterin mit 13 Arbeitsverträgen in Kette betrifft, liegt auf der Hand, dass da nichts geschehen ist.
Der Gang zum EuGH ist also wahrscheinlich in der Lage, die Haushaltsbefristung zu sprengen. Einen Misserfolg kann man sich kaum vorstellen. Fragt sich nur: Warum will der Gesetzgeber so lange warten? Wäre das nicht die Gelegenheit, das ganze Befristungsrecht vielleicht einerseits ein wenig zu liberalisieren, andererseits aber auch zu vereinheitlichen und ehrlich den überstaatlichen Vorgaben anzupassen?
Anders als das BAG hatte das LAG Köln im Juni seine Fragen klar und richtig formuliert. Zum Verfahrensfortschritt kann man sich auf den Seiten des EuGH informieren.