Dänemark:
Dänemark hat in Deutschland ein eigenartiges Image, fand ich schon immer, das sich gar nicht mit meinem Dänemarkbild aus der Zeit deckte, als ich über die Grenze spucken konnte. Das zeigt sich im Marketing. Beim Tourismus etwa setzt man auf sonnendurchflutete Dünenlandschaften mit hübschen Häuschen, die Reet auf den Dächern haben. Das ist ja noch sympathisch, aber der Deutsche assoziiert den Dänen auch gerne mit „Wikingern“, was die Dänen gerne ausschlachten, wenn es ums Geschäft geht; vom „Faxe-Bier“ gibt es jetzt eine Sonderedition mit Leif Eriksson drauf. Dass der Isländer war (kaum ein Wikinger kam aus Dänemark, es sei denn, man rechnet Grönland dazu) stört dabei ebenso wenig, wie die Tatsache, dass die absurde Schuhfabrik „Danske Loppen“ seit den 80ern ihren nicht minder absurden „Entenschuh“ unter dem Slogan „Der Urschuh – ca. 10 Modelle für Mann und Frau) unter die Leute mischt. Das soll hier zwar nicht analysiert werden, ich fand das aber immer problematisch, denn es deutet an, Dänen könnten nicht rechnen (weil sie schon bei Größenordnungen unterhalb von 10 nicht mehr genau wissen, wo sie sind).
Was Dänemark mit Betten zu tun hat, bleibt mir immer ein Rätsel. Es ist aber unbestreitbar, dass es in unseren Städten von „Dänischen Bettenlagern“ nur so wimmelt. Die Einzelhandelskette hat vermutlich mit Dänemark so viel zu tun wie Leif Eriksson.
Bevor Sie wegklicken: Es geht heute um die dänischen Bettenlager an der Saar. „Ver.di kritisiert Dänisches Bettenlager“ titelt die Saarbrücker Zeitung. Von wegen „kritisieren“!
Was war geschehen?
Der südliche Außenposten der Wikinger hat einen Betriebsrat. Eines seiner Mitglieder sollte rausfliegen. Das bedarf der Zustimmung des Gremiums (§103 BetrVG). Bekommt der Arbeitgeber sie nicht, kann er die Zustimmung beim Arbeitsgericht ersetzen lassen, wenn er gute Gründe für den Rauswurf hat. In der Regel läuft das auch so, weil kaum ein Betriebsrat der Kündigung eines Mitglieds zustimmt. Anders hier: Der Betriebsrat fand den Rauswurf in Ordnung.
Da kann man sich auch denken, dass es offenbar gute Gründe gab und der Betriebsrat sein Pflichtgefühl vor die Klassenehre gestellt hat.
Gefehlt!
In der Welt von ver.di kann das nur eines bedeuten, wenn ein Betriebsrat einer Kündigung seines Mitglieds zustimmt. Lassen wir die ver.di-Vertreterin sprechen:
“Das lässt vermuten, dass der Betriebsrat beim Dänischen Bettenlager gekauft ist.”
Ahem. Klar. Er macht, was er für richtig hält, aber geht das gegen das Klassenbewusstsein, dann ist er „gekauft“. Super. Der Mensch hat dann auch noch die Betriebsratsvorsitzende selbst aufs Korn genommen. Der kann man nur raten, gegen den Menschen eine einstweilige Verfügung wegen falscher Tatsachenbehauptungen zu erwirken – die gibt jedes Gericht in diesem Fall unbesehen auf die eidesstattliche Versicherung hin, man sei natürlich nicht „gekauft“.
Sich als Betriebsrat kaufen zu lassen, ist übrigens strafbar (§ 119 BetrVG). Interessant ist die Frage, ob ein – weithin üblicher – „Herauskauf“ des Betriebsrats strafbar ist. Darunter versteht man eine Vergünstigung unter der Bedingung, dass der Betriebsrat sein Amt aufgibt. So etwas ist hier, meint ver.di, gegenüber dem Gekündigten versucht worden – Beförderung, aber nur bei Niederlegung des Amtes. Das kann man im Hinblick auf den Wortlaut von § 119 BetrVG schon als strafbar ansehen: Die Beförderung oder die erstklassige Abfindung ist ja nur aufgrund des bestehenden Mandats n Betracht gekommen. Es ist aber eine unausgetestete Materie, eine Dunkelnorm sozusagen.
Festzuhalten ist, dass in Unternehmen immer wieder versucht wird, Betriebsräte gegen Geld und gute Worte zu entfernen. Die Not mancher Arbeitgeber ist groß: Bei VW lief ohne Betriebsrat bekanntlich nichts, deshalb hat man ihn auf die luxuriöse Art unterhalten. Bei Mittelständlern kann das auch zur Existenzfrage werden, falls sich mal ein echter Rechthaber auf eine Blockadehaltung einschießt. Selten sind die Fälle dennoch: Meist ist die Belastung bloß gefühlt.
Wir wissen nicht, was an der Saar so läuft (nach den Erfahrungen mit der Justiz dort wollen wir es auch nicht unbedingt wissen).
Klar ist aber auch: Ver.di hat hier krass überzogen. Einem Betriebsrat Käuflichkeit zu unterstellen, weil er nicht macht, was die Gewerkschaft für richtig hält, ist wirklich arrogant. Es wirft auch ein Schlaglicht: Den meisten Menschen, die Betriebsräte und Gewerkschaften in einen Topf werfen, ist nicht bewusst, wie falsch das ist. Betriebsräte werden von Belegschaften gewählt. In größeren Betrieben gibt es dort, wie bei politischen Wahlen, Listen. Darunter sind oft Gewerkschaftslisten, oft unabhängige oder gar Listen kommunizierender Gewerkschaften. Nicht immer haben die großen vom DGB die Oberhand, Belegschaften wählen auch mal eigenwillig. Bei Daimler bekriegen sich traditionell zwei Gewerkschaftslager, die beide im Betriebsrat sind. Oft sind die Interessen des Betriebs auch ganz andere als die einer politisch denkenden, an der Fläche orientierten Gewerkschaft. Es gibt da also durchaus Kampflinien, wie das dänische, Pardon, saarländische Beispiel belegt.
Wie es weitergeht – mit einer Kündigungsschutzklage etwa – sagt das Top-Presseprodukt von der Saar ebenso wenig wie die ver.di-Sprecherin. Schade. Denn dann hätte man mal sehen können, ob die Käuflichkeit beweisbar ist. Und Wetten darauf abschließen, ob eine gekaufte Zustimmung wirksam ist (wetten Sie nicht dagegen. Bitte.).